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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles
Autoren: Georges Simenon
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Unbeholfenheit herbei, die er sich in Anwesenheit von Maigret, den er vergötterte, einfach nicht abgewöhnen konnte.
    »Du brauchst dich nicht zu überstürzen«, murmelte der Kommissar. »Wir gehen nicht weit.«
    Am Morgen hatte er nur einen Übergangsmantel angezogen, der am Garderobenständer hing.
    Ihre Schritte hallten auf dem Pflaster. Es tat gut, die Atmosphäre, den Küchen- und Alkoholdunst der »Brasserie Dauphine« wieder um sich zu haben. Am Tresen standen mehrere Polizisten, denen Maigret zuwinkte.
    Sie gingen schnurstracks in den Speiseraum, der gemütlich wirkte und von dem aus man die Seine dahinfließen sah. Der Wirt drückte ihnen die Hand.
    »Einen kleinen Pastis, um den Frühling zu begrüßen? ...«
    Maigret zögerte und sagte schließlich ja. Lapointe tat es ihm nach, und der Wirt brachte die Gläser.
    »Eine Ermittlung?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Ich frage Sie bestimmt nicht aus, wohlgemerkt... Hier ist man diskret und weiß den Mund zu halten... Was würden Sie zu Kalbsmilch mit Pilzen sagen?...«
    Maigret genoss seinen Pastis, denn er hatte lange keinen mehr getrunken. Ein Teller mit Appetithäppchen wurde vor sie auf den Tisch gestellt.
    »Ich frage mich, ob sie heute Nachmittag gesprächiger sein wird, wenn ich nicht dabei bin.«
    »Das frage ich mich auch...«
    Sie aßen in aller Ruhe und durften auch den von der Wirtin gebackenen Mandelkuchen nicht verschmähen, den diese ihnen höchstpersönlich servierte, nachdem sie sich die Hände an der Schürze abgetrocknet hatte.
    Es war noch nicht zwei Uhr, als die beiden Männer die breite Treppe zur Kriminalpolizei hinaufstiegen.
    »Das ganze Gebäude ist modernisiert worden, aber auf die Idee, einen Aufzug einzubauen, ist keiner gekommen«, brummelte Maigret außer Atem.
    Er trat in sein Büro, zündete sich eine Pfeife an und sah ohne großes Interesse seine Post durch. Es waren hauptsächlich amtliche Formulare, die ausgefüllt, und Berichte, die abgezeichnet werden mussten. Die Zeit verstrich langsam. Von Zeit zu Zeit schaute er aus dem Fenster und entfloh im Geiste dem Büro.
    Der Frühling hatte sich endgültig eingestellt. Die Luft war glasklar, der Himmel blassblau, und die Knospen waren schon dick geschwollen. In einigen Tagen würde man die ersten zartgrünen Blätter herausspitzen sehen.
    »Ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde«, verkündete er an der Tür der Inspektoren.
    Er hatte beschlossen, zu Fuß zum Boulevard Saint- Germain zu gehen, doch das bereute er nun, denn der Weg bis zur Hausnummer 207 A kam ihm lang vor, und er musste sich mehrmals die Stirn abwischen.
    Das große, steinerne Gebäude, das mit der Zeit grau geworden war, sah aus wie die meisten Häuser am Boulevard. Er ging durch eine blankpolierte Eichentür und trat unter das Torgewölbe, hinter dem ein gepflasterter Hof und alte Pferdeställe zu sehen waren, die jetzt als Garagen dienten.
    Das goldene Notarschild befand sich neben der linken Tür, und eine Kupfertafel verkündete:
    Rechtsanwalt G. Sabin-Levesque
    Notar
    Durch das Fenster der Pförtnerloge, rechts der gegenüberliegenden Tür, beobachtete ihn ein Mann.
    Seine Besucherin von heute Morgen hatte ihm gesagt, die Wohnung befände sich in der ersten Etage. Auf einer zweiten kupfernen Tafel auf der anderen Seite stand geschrieben:
    Professor Arthur Rollin
    Kinderarzt
    3. Etage - Sprechstunden nur nach Vereinbarung
    Das musste ein teurer Arzt sein. Der Aufzug war geräumig. Für eine Etage zog Maigret es vor, die einladende Treppe zu benutzen, deren Stufen mit einem weichen Teppich bedeckt waren.
    Im ersten Stock klingelte er. Fast augenblicklich wurde die Tür von einer jungen, freundlichen Zofe geöffnet, die ihm den Hut abnahm.
    »Wenn Sie bitte hereinkommen möchten, Madame erwartet Sie...«
    Er befand sich in einer Halle, die mit Holz getäfelt war, ebenso wie der große Salon, in den man ihn nun führte und an dessen Wänden Porträts aus dem Empire bis etwa 1900 hingen.
    Er setzte sich nicht. Die Möbel waren wuchtig, größtenteils im Louis-Philippe-Stil, und wenn das Ganze auch den Eindruck von Reichtum und Komfort vermittelte, so fehlte doch jegliche Fröhlichkeit.
    »Madame erwartet Sie in ihrem Boudoir. Ich begleite Sie...«
    Sie durchquerten drei, vier Zimmer, denen Maigret in der Eile keine Beachtung schenken konnte, und kamen schließlich in ein mit blauer Seide tapeziertes Boudoir, wo die Hausherrin auf einer Chaiselongue lag. Sie trug einen Morgenrock, dessen Blau etwas dunkler war
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