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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles
Autoren: Georges Simenon
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gewöhnt.«
    »Woran?«
    »Dass er tagelang wegbleibt.«
    »Geht das schon lange so?«
    »Seit Jahren. Es fing bald nach unserer Hochzeit an, vor fünfzehn Jahren.«
    »Nennt er Ihnen keine Gründe, um diese Reisen zu erklären?«
    »Ich glaube nicht, dass er verreist.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Er bleibt in Paris oder in der Umgebung.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich ihn die ersten Male von einem Privatdetektiv verfolgen ließ. Dann habe ich damit aufgehört, weil es immer das gleiche war.«
    Das Sprechen machte ihr gewisse Schwierigkeiten, und sie hatte nicht nur zwei Gläser Cognac getrunken. Sie hatte sie auch nicht getrunken, um sich Mut zu machen, denn ihr verwüstetes Gesicht und die Mühe, mit der sie ihre Haltung zu bewahren suchte, verrieten, dass sie sich häufig betrank.
    »Ich warte darauf, dass Sie mir nähere Einzelheiten liefern.«
    »Mein Mann ist eben so.«
    »Wie ist er?«
    »Er ist ein Mensch, der leicht Feuer fängt. Er lernt eine Frau kennen, die ihm gefällt, und hat sofort das Bedürfnis, ein paar Tage mit ihr zu verbringen. Sein bisher längstes Techtelmechtel, wenn man es so nennen darf, dauerte zwei Wochen.«
    »Sie wollen mir doch nicht etwa erzählen, dass er sie auf der Straße aufliest?«
    »So ungefähr. In Nachtclubs, im allgemeinen.«
    »Ging er allein aus?«
    »Immer.«
    »Er hat Sie nie mitgenommen?«
    »Wir bedeuten einander schon lange nichts mehr.«
    »Trotzdem sind Sie beunruhigt.«
    »Seinetwegen.«
    »Ihretwegen nicht?«
    Eine Art Trotz ließ ihren Blick hart werden.
    »Nein.«
    »Lieben Sie ihn nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Und er?«
    »Erst recht nicht.«
    »Dennoch leben Sie zusammen.«
    »Die Wohnung ist groß. Wir leben nicht im gleichen Rhythmus, und es ergibt sich nicht oft, dass wir uns begegnen.«
    Lapointe stenografierte, und seine Verwunderung stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben.
    »Warum sind Sie hergekommen?«
    »Damit Sie ihn wiederfinden.« »Haben Sie sich früher nie Sorgen gemacht?«
    »Ein Monat, das ist lang. Er hat nichts mitgenommen, nicht mal ein Köfferchen mit Wäsche zum Wechseln. Er hat auch keines der Autos genommen.«
    »Besitzen Sie mehrere Autos?«
    »Den Bentley, den meistens er benutzt, und den Fiat, der mehr oder weniger für mich reserviert ist.«
    »Können Sie fahren?«
    »Vittorio, der Chauffeur, fährt mich, wenn ich ausgehe.«
    »Gehen Sie viel aus?«
    »Fast jeden Nachmittag.«
    »Um Freundinnen zu besuchen?«
    »Ich habe keine Freundinnen...«
    Er war selten einer so verbitterten und so irritierenden Frau begegnet.
    »Gehen Sie in Geschäfte?«
    »Ich verabscheue Geschäfte.«
    »Machen Sie Spaziergänge im Bois de Boulogne oder anderswo?«
    »Ich gehe ins Kino.«
    »Jeden Tag?«
    »Fast. Wenn ich nicht zu schlapp bin.«
    Wie bei Rauschgiftsüchtigen kam irgendwann der Moment, wo sie einen Schuss brauchte, und dieser Moment war jetzt gekommen. Man sah es ihr an, dass sie viel für ein Glas Cognac gegeben hätte, doch der Kommissar konnte ihr nicht gut eines anbieten, obwohl für bestimmte Fälle eine Flasche in seinem Wandschrank stand. Er hatte ein wenig Mitleid mit ihr.
    »Ich suche zu verstehen, Madame Sabin.«
    »Sabin-Levesque«, verbesserte sie ihn.
    »Wenn Sie wollen. Ist Ihr Mann schon immer mal für kürzere oder längere Zeit ausgebüxt?«
    »Noch nie für einen ganzen Monat.«
    »Das sagten Sie mir schon.«
    »Ich habe eine Vorahnung.«
    »Was für eine Vorahnung.«
    »Ich habe Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist...«
    »Haben Sie irgendeinen Grund, das zu denken?«
    »Nein. Man braucht keinen Grund, um eine Vorahnung zu haben.«
    »Ihr Mann, sagen Sie, ist ein bedeutender Notar.«
    »Sagen wir mal, seine Kanzlei ist bedeutend, und seine Klientel gehört zu den besten von Paris.«
    »Wie kann er dann in regelmäßigen Abständen verschwinden?«
    »Gerard ist so wenig Notar wie nur möglich. Er hat die Kanzlei von seinem Vater geerbt, aber wer sich darum kümmert, ist vor allem der Kanzleileiter...«
    »Mir scheint, Sie sind müde.«
    »Ich bin immer müde. Ich habe eine schlechte Gesundheit.«
    »Und Ihr Mann?«
    »Er hält sich mit seinen achtundvierzig Jahren wie ein junger Mann.«
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, könnte man in den Nachtclubs also eine Spur von ihm finden...«
    »Ich denke ja.«
    Maigret war nachdenklich. Er hatte das Gefühl, dass seine Fragen in die falsche Richtung zielten, und dass die Antworten, die er erhielt, zu nichts führten.
    Einen Augenblick lang fragte er sich, ob er
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