Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
wiederhergestellt war. Einige Schweißperlen waren ihm vom Auftritt der Hausangestellten noch auf der Stirn verblieben, und sein Atem ging schneller. Immerhin waren die Ermittlungsbeamten ziemlich verblüfft gewesen, als sie bei ihrem Besuch am Vortag einen Mann aufrecht in seinem Sessel vorfanden, von dem sie erwartet hatten, er liege völlig darnieder.
    Er war in Pantoffeln, trug unter einer alten Jacke ein Nachthemd mit rot besticktem Kragen, und die gleiche nachlässige Spießigkeit kam in jeder Einzelheit des Wohnzimmers zum Ausdruck, etwa in den geschmacklosen Möbeln, die alle dreißig oder vierzig Jahre alt waren, oder in den goldverzierten schwarzen Bilderrahmen, in denen Fotografien von Schleppkähnen steckten, oder in dem Rollsekretär, der in einer Ecke stand.
    »Sie sind also mit der Untersuchung beauftragt?«
    Sein Lächeln erlosch allmählich. Ducrau wurde wieder ernst, ein Mann mit forschendem Blick, und seine Stimme hatte bereits einen aggressiven Unterton.
    »Ich nehme an, Sie haben sich Ihren Teil zu der Geschichte schon gedacht? Nicht? Umso besser, aber das wundert mich doch bei einem Polizisten!«
    Er gab sich nicht absichtlich widerlich. Er war von Natur aus so. Hin und wieder verzog er ein wenig das Gesicht, vermutlich, weil ihn seine Verletzung im Rücken immer noch schmerzte.
    »Sie trinken doch sicher etwas? Mathilde! … Mathilde! … Mathilde, verdammt noch mal! …«
    Und als das Mädchen endlich erschien, mit seifigen Händen:
    »Bringen Sie eine Flasche Weißwein. Vom besseren!«
    Er nahm mit seiner Leibesfülle den ganzen Sessel ein, auch sahen seine Beine kürzer aus, als sie in Wirklichkeit waren, weil er die Füße auf einem gestickten Kissen hochlagerte.
    »Also los, was hat man Ihnen erzählt?«
    Er hatte die Gewohnheit, während er redete, von Zeit zu Zeit einen kurzen Blick durchs Fenster zu werfen, in Richtung Schleuse, und plötzlich begann er zu schimpfen:
    »Meine Güte! Jetzt lassen sie sich tatsächlich von einem ›Poliet et Chausson‹ abhängen!«
    Maigret sah, wie ein beladener Kahn, seitlich mit gelbem Anstrich, langsam in die Schleusenkammer einfuhr, und dahinter einen anderen, mit einem blauen Dreieck gekennzeichnet, der quer zum Kanal stand, darauf drei oder vier Personen, die herumgestikulierten und sich offenbar gegenseitig beschimpften.
    »Alle Schiffe mit blauen Dreiecken gehören mir!«, erklärte Ducrau und zeigte gleichzeitig für das Dienstmädchen, das eben wieder hereintrat, auf einen Stuhl.
    »Stellen Sie die Flasche und die Gläser da drauf«, sagte er ihr. Und zu Maigret: »Fühlen Sie sich wie zu Hause, Kommissar. Was wollte ich eben sagen? … Ach ja, ich bin neugierig, zu erfahren, was man über die Sache erzählt.«
    Hinter dem gemütlichen Kerl, den er zu sein vorgab, steckte doch auch eine gewisse Boshaftigkeit, die umso deutlicher wurde, je länger er Maigret ansah, vielleicht, weil ihm der Kommissar hinsichtlich der Leibesfülle und des kräftigen Körperbaus glich, nur dass Maigret größer war, und dann auch, weil sein Schweigen in dieser Wohnung wie ein großer unverrückbarer Steinblock wirkte.
    »Man hat mir die Akten heute früh vorgelegt«, erklärte er.
    »Haben Sie sie gelesen?«
    Die Eingangstür wurde geöffnet, jemand ging durch den Vorraum und stand unversehens da. Es war eine Frau um die fünfzig, eine magere, trostlose Erscheinung. Sie trug ein Einkaufsnetz und entschuldigte sich:
    »Verzeihung. Ich wusste nicht …«
    Maigret hatte sich bereits erhoben.
    »Madame Ducrau, nehme ich an? Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.«
    Sie begrüßte ihn ungeschickt und ging rückwärts wieder hinaus. Man hörte sie mit der Hausangestellten sprechen, und Maigret lächelte erneut, denn er konnte sich nun die Einzelheiten der morgendlichen Szene noch besser vorstellen.
    »Meine Frau kann sich einfach nicht abgewöhnen, den Haushalt selbst zu besorgen«, murrte Ducrau. »Zehn Hausangestellte könnte sie sich leisten, wenn sie wollte, und macht ihre Einkäufe selbst.«
    »Sie haben, vermute ich, als Führer eines Schleppkahns angefangen?«
    »Ich habe angefangen, so wie alle anfangen: am Heizkessel! ›L’Aigle‹ hieß das Schiff. Es fiel mir zu, als ich die Tochter des Besitzers geheiratet habe – Sie haben sie eben gesehen. Inzwischen ist die Zahl der ›Aigles‹ auf vierundzwanzig angewachsen. Sehen Sie, allein hier im Becken liegen zwei, die heute noch nach Dizy rauffahren, und fünf sind, wie ich gehört habe, flussabwärts unterwegs.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher