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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
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lächelte mitleidig.
    »Noch eine, die glaubt, das habe etwas zu bedeuten! Sie können gehen. Es war heute Morgen, als wir im Keller die Weine ausgewählt haben.«
    Er konnte es sich aber doch nicht verkneifen, einen Blick auf Maigret zu werfen, um sich ein Bild von der Wirkung zu machen; der Kommissar jedoch schien seine Geschichten alles andere als spannend zu finden. Madame Ducrau hatte nicht reagiert. Sie war noch mehr unter ihrem selbstgestrickten Umschlagtuch zusammengesackt und starrte auf das Tischtuch, während sich ihre Tochter die rote Nase mit dem Taschentuch abtupfte.
    »Haben Sie gesehen?«, fragte der Reeder Maigret und wies mit einer Kinnbewegung zum Hof und zum Gitter.
    Eine einzige Gaslaterne leuchtete einen kleinen Kreis bei der Hinterpforte aus. Darin stand reglos, in kaum zehn Metern Entfernung, eine Gestalt. Nichts, aber auch gar nichts von dem, was in dem hell beleuchteten Speisezimmer vorging, konnte dem ans Gitter gelehnten Mann entgehen.
    »Er ist es!«, behauptete Ducrau.
    Maigret, der sehr gute Augen hatte, erahnte etwas weiter hinten am Ufer der Seine eine zweite Gestalt. Das Dienstmädchen brachte, starr vor Angst, Fleisch und Kartoffelpüree, während der Kommissar ein Notizbuch aus der Tasche nahm, ein Blatt herausriss und einige Worte daraufschrieb.
    »Gestatten Sie, dass ich kurz Ihre Hausangestellte in Anspruch nehme? Danke. Mélie, ich möchte, dass Sie in den Hof gehen. Beim Gitter werden Sie zunächst auf einen älteren Mann treffen, um den Sie sich weiter nicht scheren. Einige Schritte dahinter werden Sie einen zweiten, etwa dreißigjährigen Mann bemerken. Geben Sie ihm diesen Zettel und warten Sie auf die Antwort.«
    Das Mädchen traute sich kaum, eine Bewegung zu tun. Ducrau schnitt die Hammelkeule an. Madame Ducrau, die nicht gut platziert war, rutschte auf ihrem Stuhl herum, um aus dem Fenster schauen zu können.
    »Saignant, Kommissar?«
    Seine Hand war sicher, sein Blick ruhig, und doch sprach aus seiner Haltung eine gewisse Rührseligkeit, die nicht mehr allein durch dieses Abendessen und die anwesenden Personen bedingt war.
    »Hast du irgendwelches Geld beiseitegelegt?«, fragte er plötzlich Decharme.
    »Ich? …«, vermochte dieser nur zu antworten, wie vom Schlag gerührt.
    »Hör bitte …«, begann seine Tochter, die vor Zorn und Ungeduld bebte.
    »Dir rate ich zu schweigen. Und vor allem, bleib sitzen, ich bitte dich. Wenn ich deinen Mann frage, ob er Ersparnisse hat, werde ich meine Gründe dafür haben. Antworte!«
    »Ich habe selbstverständlich keine.«
    »Umso schlimmer! Die Lammkeule ist unter aller Kritik. Hast du gekocht, Jeanne?«
    »Nein, Mélie.«
    Sein Blick schweifte wieder zum Fenster, aber er konnte in der Dunkelheit nicht viel erkennen, höchstens den weißen Fleck, den die Schürze des eben zurückkommenden Dienstmädchens bildete. Es übergab Maigret einen Zettel. In ihrem Haar hingen feine Tropfen.
    »Regnet es?«
    »Ein Nieselregen. Er hat eben angefangen.«
    Lucas hatte auf demselben Blatt geantwortet, das schon Maigret benützt hatte, so dass da zunächst in dessen Schrift geschrieben stand: Ist er bewaffnet? Und schräg darunter ein einziges Wort: Nein.
    Man hätte meinen können, Ducrau lese durch das Blatt hindurch, denn er fragte:
    »Bewaffnet?«
    Maigret zögerte, nickte dann bejahend. Jeder in der Runde hatte begriffen. Jeder hatte gesehen. Madame Ducrau schluckte ein Stück Fleisch herunter, ohne es zu kauen. Ducrau selbst, der sich aufplusterte, seine Brust herausstreckte, aß mit geheucheltem Appetit; er war vor Schreck kurz zusammengezuckt.
    »Wir sprachen über deine Ersparnisse …«
    Maigret begriff, dass die Sache nun in Schwung kam, dass nun die Stimmung herrschte, die ihm zusagte. Von nun an würde ihn nichts mehr bremsen können, und zunächst einmal schob er seinen Teller zurück, um sich fester auf den Tisch aufstützen zu können.
    »Pech für dich! Angenommen, dass ich jetzt gleich, oder morgen, oder wann auch immer das Zeitliche segne. Du gehst davon aus, dass du dann reich bist, dass ich, selbst wenn ich das möchte, nicht das Recht habe, meine Frau und meine Tochter zu enterben …«
    Er schaukelte auf seinem Stuhl, lehnte sich zurück wie ein Gast, der am Ende der Mahlzeit eine Geschichte zum Besten gibt.
    »Nun sage ich euch aber laut und deutlich, dass ihr von mir keinen roten Heller sehen werdet!«
    Seine Tochter sah ihn kühl an, versuchte zu verstehen, während ihr Mann sich ganz den Anschein des hungrigen Essers
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