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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
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Badezimmer gewesen.
    »Fragen wir ihn doch gleich selbst.«
    Maigret stieß dicke Rauchwolken aus, das Cognacglas in der Hand, und er vermied es, Decharme anzusehen, der erbleicht war, aber den Mund nicht zu öffnen wagte.
    »Nun fragt mich doch Ihr Schwiegersohn, Ducrau, ob ich Sie für einen Mörder halte und ob ich die Absicht habe, Sie zu verhaften.«
    Anscheinend hatte man ihn auch oben verstanden, denn das Getrappel über ihren Köpfen hörte plötzlich auf. Sogar Ducrau, der doch ein kaltblütiger Mensch war, stockte der Atem.
    »Er fragt … Er fragt, ob ich …«
    »Bedenken Sie, er ist Offizier. Er erinnerte mich soeben daran, was in solchen Fällen Brauch ist. Wenn sich ein Offizier vergangen hat – wie er es ganz schneidig ausdrückt –, dann wird er von seinen besten Freunden mit einem Revolver allein gelassen.«
    Ducrau ließ Decharme, der kopflos durchs Zimmer strauchelte, nicht aus den Augen.
    »Aha! Hat er gesagt, dass …«
    Einige Sekunden lang sah es so aus, als würde es schlecht enden. Aber alsbald entspannten sich Ducraus Züge, wenn es ihn auch vielleicht eine Heidenanstrengung kostete. Er lächelte. Das Lächeln wurde breiter. Er lachte! Und nun klopfte er sich gar vor Lachen auf die Schenkel.
    »Das ist doch zum Schießen«, brüllte er zuletzt und hatte dabei Tränen in den Augen, so sehr musste er lachen. »Ah! Mein kleiner Decharme! Was für ein reizender Junge bist du doch! Na, dann wollen wir uns also zu Tisch setzen, Kinder. Die Offiziere, die … wenn einer von ihnen sich vergangen hat … Heiliger Bimbam, Decharme! Und nun werden wir, man stelle sich vor, hübsch einander gegenüber zu Abend essen …«
    Das Hemd klebte Maigret am Körper, aber man hätte es kaum vermutet, wenn man ihm zusah, wie er behutsam seine Pfeife ausklopfte, sie in ihr Etui und dies dann in seine Tasche steckte.

10
    Das Dienstmädchen trug die Suppenschüssel auf, und mit einem Seufzer der Erleichterung steckte sich Ducrau einen Zipfel seiner Serviette in den Hemdausschnitt. Es brannte kein Feuer, und Madame Ducrau, die fröstelte, hatte sich ein selbstgestricktes schwarzes Umschlagtuch um die Schultern gelegt, das wie ein Kerzenhütchen aussah.
    Berthes Platz gegenüber dem Reeder war leer geblieben, und er befahl der Angestellten:
    »Sagen Sie meiner Tochter, sie soll herunterkommen.«
    Er bediente sich mit Suppe und legte ein wahres Wagenrad von Brot neben seinen Teller. Seine Frau schniefte, aber er reagierte vorerst nur mit einem Stirnrunzeln darauf, bis ihm endlich die Geduld riss:
    »Bist du erkältet?«
    »Ich glaube, ja«, stammelte sie und wandte das Gesicht ab, damit man nicht sah, dass sie wieder drauf und dran war, zu weinen.
    Decharme lauschte auf die Geräusche von oben, während er geziert seinen Löffel zum Mund führte.
    »Und was sagt sie, Mélie?«
    »Madame Berthe lässt ausrichten, dass sie nicht zum Essen kommen kann.«
    Ducrau schlürfte geräuschvoll seine Suppe.
    »Dann geh du und sag ihr nochmals, dass ich will, dass sie kommt, ob sie nun krank ist oder nicht. Verstanden?«
    Decharme verließ das Zimmer, während Ducrau nach jemandem Ausschau zu halten schien, dem er als Nächstem auf den Leib rücken könnte.
    »Mélie, zieh die Vorhänge auf.«
    Er saß den beiden Fenstern gegenüber, von denen aus man den Hof, das Gitter und die Seine überblickte. Seinen ganzen schweren Körper auf den Tisch gestützt, kaute er an seinem Brot und schaute hinaus in die undurchdringliche Finsternis. Aus dem oberen Geschoss hörte man Geraschel, Getuschel, einige Schluchzer. Decharme erschien wieder und ließ verlauten:
    »Sie kommt.«
    Und tatsächlich trat kurz darauf seine Frau herein. Sie hatte nicht einmal versucht, die leuchtend roten Flecken auf ihrem Gesicht unter Puder zu verbergen.
    »Mélie!«, rief Ducrau.
    Er kümmerte sich weder um Maigret noch um sonst jemanden. Man hätte meinen können, sein Leben gehe die andern nichts an, er folge einem wohldurchdachten Plan, und alles andere sei ihm egal.
    »Tragen Sie den nächsten Gang auf.«
    Als sie sich über den Tisch beugte, um die Suppenschüssel abzuräumen, tätschelte er ihr den Hintern. Im Gegensatz zu der Hausangestellten in Charenton, die noch jung war, war diese hier alterslos, ohne Schwung und ohne Charme.
    »Sag mal, Mélie, wann haben wir zum letzten Mal zusammen geschlafen?«
    Sie erschrak, brachte beim besten Willen kein Lächeln zustande, sah furchtsam den Hausherrn, dann die Hausherrin an. Ducrau zuckte die Achseln und
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