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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
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nicht nur mich. Vergessen Sie nicht, dass auch Gassin, während er sich von Bar zu Bar geschleppt hat, stockbesoffen und ohne ein Wort zu sagen, über dieselbe Frage nachgegrübelt hat. Gestern Abend ist er nicht an Bord zurückgekehrt. Er hat Aline allein gelassen und ein Zimmer gegenüber genommen.«
    Ducrau trat plötzlich ans Fenster und hob den Vorhang, aber wegen der Wohnzimmerbeleuchtung war nichts zu erkennen.
    »Haben Sie nicht gehört?«
    »Nein.«
    »Und was gedenken Sie zu tun?«
    »Was weiß ich«, sagte Maigret nur. »Wenn zwei Männer sich schlagen, versucht man sie zu trennen. Aber das Gesetz erlaubt mir nicht, einzugreifen, wenn zwei Männer sich anschicken, einander zu ermorden. Es erlaubt mir nur, einen Mörder festzunehmen …«
    Ducrau reckte den Hals.
    »Dafür braucht es Beweise!«
    »So dass …«
    »Nichts! Mittwoch um Mitternacht gehöre ich nicht mehr zur Polizei. Sie haben mich eben daran erinnert. Sie haben nicht zufällig grauen Tabak?«
    Ducrau zeigte auf einen Steinguttopf, und Maigret bediente sich daraus, füllte auch noch seinen Beutel damit, nachdem er seine Pfeife gestopft hatte. Es klopfte an die Tür, und Decharme trat ein, noch bevor man ihn hereingebeten hatte.
    »Ich bitte um Verzeihung. Meine Frau möchte sich für das Abendessen entschuldigen lassen. Sie ist etwas leidend. Es ist ihr ›Zustand‹ …«
    Er ging nicht wieder weg, sondern hielt nach einem Platz Ausschau, wo er sich setzen könnte, und wunderte sich über die Cognacgläser.
    »Wollen Sie nicht lieber einen Aperitif?«
    Wie durch ein Wunder schnauzte Ducrau ihn nicht an; er schien seine Anwesenheit überhaupt nicht zu bemerken. Er hatte seine Pfeife wieder vom Teppich aufgehoben, sie war nicht zerbrochen. Nur von dem Meerschaum war ein Splitter abgesprungen, und er rieb mit dem speichelbenetzten Finger an der Stelle.
    »Ist meine Frau oben?«
    »Sie ist eben in die Küche runtergegangen.«
    »Erlauben Sie einen Augenblick, Kommissar?«
    Ducrau schien beinahe darauf gefasst, dass der Kommissar ihn nicht aus dem Zimmer gehen lasse, doch das war nicht der Fall.
    »Sehr eigen, dieser Mann«, seufzte Maigret, als die Tür geschlossen war. Und Decharme, dem es mit seinen langen Beinen auf dem Sessel, auf dem er sich niedergelassen hatte, nicht wohl war, der aber auch nicht wieder aufzustehen wagte, räusperte sich und murmelte:
    »Er ist manchmal seltsam, Sie haben es sicherlich bemerkt. Er hat, kurz gesagt, seine guten und seine schlechten Momente.«
    Maigret zog die Vorhänge zu, als wäre er bei sich zu Hause, ließ jedoch einen schmalen Spalt offen, durch den er hin und wieder den Hof beobachtete.
    »Es braucht viel Geduld …«
    »Die haben Sie!«
    »Jetzt gerade zum Beispiel bin ich in einer ziemlich heiklen Lage. Ich bin Offizier, wie Sie wissen. Es versteht sich von selbst, dass die Armee und gewisse Dinge sich nicht miteinander vereinbaren lassen, etwa ein solches Drama, das …«
    »Drama, das …?«, wiederholte Maigret unerbittlich.
    »Ich weiß nicht. Ich möchte Sie um einen Rat bitten. Auch Sie sind von Amts wegen zu gewissen Dingen verpflichtet. Nun haben aber Ihre Anwesenheit hier und gewisse Gerüchte …«
    »Welche Gerüchte?«
    »Ich weiß nicht. Aber stellen Sie sich vor … Es ist schrecklich schwierig zu sagen. Es ist nur eine Annahme, nicht? Stellen Sie sich vor, ein Mann, der eine gewisse Position hat, hätte sich in eine Lage gebracht … in eine Lage …«
    »Einen Cognac?«
    »Danke. Keinen Alkohol.«
    Er ließ gleichwohl nicht locker. Er war zu allem entschlossen, und was er sagte, war nicht unvorbereitet! Er hatte sich seine Sätze alle schon zurechtgelegt!
    »Wenn sich ein Offizier vergangen hat, wird er, so will es die Tradition, von seinen Kameraden auf seine Pflicht hingewiesen, indem sie ihn mit einem Revolver allein lassen. So wird verhindert, dass die Sache publik und zum Skandal wird …«
    »Von wem sprechen Sie?«
    »Von niemandem. Und doch kann ich mir nicht helfen, ich bin besorgt. Deshalb wollte ich Sie ja auch bitten, mich zu beruhigen oder mir zu sagen, ob wir uns darauf gefasst machen müssen, dass …«
    Deutlicher wollte er nicht werden. Er erhob sich erleichtert. Lächelnd wartete er auf die Antwort.
    »Fragen Sie mich, ob Ihr Schwiegervater ein Mörder ist und ich ihn verhaften werde?«
    Die Abwesenheit Ducraus schien ihn keinen Moment beunruhigt zu haben. Dieser trat mit rosigerem Gesicht wieder ein, die Haare an den Schläfen feucht. Offensichtlich war er im
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