Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17
Autoren: Simenon
Vom Netzwerk:
Aufsehen!
    Anders ausgedrückt, man wollte so schnell wie möglich die Wahrheit herausfinden, um dem Gerede der Journalisten und der Bevölkerung ein Ende zu machen. Auf dem Kies im Garten waren Schritte zu hören. Eine Glocke mit gewichtigem, weichem Ton ertönte in der Halle. Maigret ging öffnen. Neben den beiden weiblichen Gestalten bemerkte er einen Mann mit einer Mütze.
    »Sie können gehen. Ich kümmere mich um sie. Treten Sie ein, Mesdames!«
    Er tat, als würde er sie bei sich empfangen. Ihre Gesichter konnte er noch nicht erkennen, dagegen atmete er voll den Moschusduft ein.
    »Ich hoffe, man hat endlich eingesehen …«, begann eine leicht gebrochene Stimme.
    »Aber kommen Sie doch herein! Machen Sie es sich bequem.«
    Sie traten ins Licht. Das über und über faltige Gesicht der Mutter war mit einer dicken Schicht Schminke bedeckt. Sie stand mitten im Salon und blickte um sich, als wolle sie sich vergewissern, daß nichts fehlte.
    Die andere war mißtrauischer und beobachtete Maigret. Sie ordnete die Falten ihres Kleides und deutete ein Lächeln an, das aufreizend wirken sollte.
    »Ist es wahr, daß man Sie aus Paris hat kommen lassen?«
    »Ziehen Sie doch bitte Ihre Mäntel aus. Benehmen Sie sich, wie Sie es gewohnt sind.«
    Sie wußten noch nicht recht, woran sie waren, und bewegten sich in ihrem eigenen Haus, als wären sie Fremde. Sie fürchteten eine Falle.
    »Nun unterhalten wir drei uns mal …«
    »Wissen Sie schon etwas?«
    Es war die Tochter, die gesprochen hatte, und die Mutter rief ihr mit schneidender Stimme zu:
    »Vorsicht, Gina!«
    Offen gesagt, hatte Maigret ein weiteres Mal Mühe, seine Rolle ernst zu nehmen. Die Alte war trotz ihrer Schminke fürchterlich anzusehen.
    Die Tochter hatte volle, um nicht zu sagen ausufernde Formen, die sich unter ihrem dunklen Seidenkleid abzeichneten. Sie versuchte wenig erfolgreich, die Femme fatale zu mimen.
    Und dieser Geruch! Der starke Moschusgeruch, der die Luft im Zimmer zu durchströmen begann!
    Das Ganze erinnerte an die Loge einer Concierge in einem Provinztheater.
    Da war aber auch nicht die Spur einer Tragödie, nicht das geringste Geheimnis. Die Mama, die stickte und ihre Tochter beaufsichtigte. Und die Tochter, die Valentinos Abenteuer las …
    Maigret hatte seinen Platz in Browns Sessel wieder eingenommen, betrachtete die beiden mit ausdruckslosen Augen und fragte sich ein wenig beklommen: ›Was zum Teufel hat dieses Rindvieh von Brown zehn Jahre lang mit diesen zwei Frauen getrieben?‹
    Zehn Jahre! Lange, unverändert sonnige Tage, geschwängert mit Mimosenduft, unter den Fenstern die wogende, endlos weite Bläue, und zehn Jahre die stillen Abende, die kein Ende nehmen wollten, kaum durchkräuselt vom Rauschen einer Welle auf den Felsen, und die beiden Frauen, die Mutter in ihrem Sessel, die Tochter neben der Lampe mit dem rosa Seidenschirm …
    Er betastete unwillkürlich das Foto von diesem Brown, der die Unverschämtheit besaß, ihm ähnlich zu sein.

2
    Reden wir über Brown …
    W
    as machte er abends?«
    Maigret saß mit übereinandergeschlagenen Beinen da und betrachtete mürrisch die Alte, die die feine Dame spielen wollte.
    »Wir sind nur selten ausgegangen. Meine Tochter las meistens, während …«
    »Reden wir über Brown!«
    Nun warf sie gekränkt hin:
    »Er tat nichts!«
    »Er sah fern«, seufzte Gina, die sich um lässige Gesten bemühte. »So sehr ich gute Musik liebe, so sehr verabscheue ich …«
    »Reden wir über Brown. War er gesund?«
    »Wenn er auf mich gehört hätte«, legte die Mutter los, »hätte er nie ein Leber- oder Nierenleiden gekriegt. Wenn ein Mann die Vierzig überschritten hat …«
    Maigret machte ein Gesicht, als würde er einem Schwachsinnigen zuhören, der ununterbrochen dumme alte Witze erzählt und dabei schier platzt vor Lachen. Die beiden waren lächerlich, eine wie die andere, die Alte mit ihrer verkniffenen Miene, die Junge mit ihren Posen einer überfütterten Odaliske.
    »Sie sagten, er sei an dem bewußten Abend mit dem Auto zurückgekommen. Er ging durch den Garten, und auf der Außentreppe ist er zusammengebrochen …«
    »Ja, als wäre er volltrunken gewesen! Ich hab ihm durchs Fenster zugerufen, daß er mir nicht reinkommt in dem Zustand.«
    »Kam er oft betrunken heim?«
    Wieder die Alte:
    »Wenn Sie wüßten, welche Geduld wir die ganzen zehn Jahre haben aufbringen müssen, wir, die wir …«
    »Kam er oft betrunken heim?«
    »Jedesmal, wenn er einen seiner Ausflüge gemacht hat,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher