Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magnus Jonson 01 - Fluch

Titel: Magnus Jonson 01 - Fluch
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
sich direkt in Magnus’ Schusslinie hinter dem Jugendlichen im gelben T-Shirt. Es gab eine klare Vorschrift: Nicht schießen, wenn die Gefahr besteht, einen Unbeteiligten zu treffen.
    Die Verzögerung gab dem jungen Kerl Gelegenheit, Magnus ins Visier zu nehmen. Patt.
    »Polizei! Die Waffe runter!«, rief Magnus, obwohl er wusste, dass der Jugendliche seine Worte ignorieren würde.
    Wie sollte es weitergehen? Wenn der Kerl als Erster schoss und Magnus möglicherweise verfehlte, dann könnte er selbst abdrücken. Magnus war zwar einen Meter neunzig groß und wog über neunzig Kilo, aber er lag flach auf dem Asphalt, teilweise verdeckt von der umgeworfenen Mülltonne, sodass er eine vergleichsweise kleine Zielscheibe für den aufgeregten jungen Burschen bot.
    Vielleicht würde er abhauen. Wenn die Frau sich doch nur in Bewegung setzen würde! Sie stand wie angewurzelt da, den Mund zum Schrei geöffnet.
    Da merkte Magnus, dass der Jugendliche etwas hinter ihm betrachtete.
    Der Mann mit der Glatze!
    Wenn der Kahlköpfige sich ruhig verhielt, hätte der Jugendliche niemals den Blick von Magnus’ Pistole abgewandt. Das riskierte er nur, weil der Glatzkopf eine wichtige Rolle spielte, weil er sein Partner war, selbst eine Waffe hatte und sich Magnus von hinten näherte. Der Jugendliche wollte die Situation noch ein paar Sekunden hinauszögern, bis der Kahlkopf von hinten auf Magnus schoss.
    Magnus drückte sofort ab, jedoch nur einmal, nicht zweimal, wie er es gelernt hatte. So wenig Kugeln wie möglich sollten in Richtung der dicken Frau fliegen. Er traf den Jugendlichen an der Brust; der zuckte zusammen und feuerte ebenfalls los, verfehlte Magnus aber.
    Daraufhin ergriff Magnus die Mülltonne und schleuderte sie nach hinten. Die leere Tonne traf den Kahlkopf am Schienbein. Der zog seine Pistole aus dem Hosenbund, stolperte über die Mülltonne und verlor das Gleichgewicht. Magnus schoss zweimal auf den Latino und traf ihn zuerst in die Schulter, dann in den kahlen Schädel.
    Plötzlich wurde es laut. Die dicke Frau hatte ihre Einkaufstüten fallen lassen und schrie aus vollem Hals. In der Nähe heulte eine Polizeisirene. Überall Geschrei und hastige Schritte.
    Der Kahlköpfige gerührte sich nicht mehr, der Jugendliche lag rücklings ausgestreckt auf dem Boden, seine Brust hob und senkte sich, sein gelbes T-Shirt war blutbefleckt eckt. Er krümmte die Finger um seine Pistole und versuchte mit letzter Kraft, sie auf Magnus zu richten. Magnus trat ihm aufs Handgelenk und kickte die Waffe e fort. Schwer atmend stand er über dem tätowierten Halbwüchsigen, der ihn hatte umbringen wollen. Siebzehn oder achtzehn Jahre alt, ebenfalls ein Latino, kurzes schwarzes Haar, ein abgebrochener Schneidezahn, eine Narbe am Hals. Stramme Muskeln unter den Tätowierungen auf Armen und Brust, geheimnisvolle Bandensymbole. Ein harter Bursche. Bei Cobra-15 konnte ein Jugendlicher in diesem Alter bereits mehrere Menschenleben auf dem Gewissen haben.
    Aber nicht das von Magnus. Zumindest nicht heute. Und morgen?
    Magnus roch Schießpulver, Schweiß, Angst und wieder die metallische Note von Blut. Zu viel Blut für einen Tag.

    »Ich zieh dich da ab.«
    Deputy Superintendent Williams, der Chef der Mordkommission, hatte sich entschieden. Er traf immer eine klare Entscheidung, das gehörte zu den Eigenschaften, die Magnus an ihm schätzte. Auch war er dankbar dafür, dass sein Chef sich aus seinem Büro an der Schroeder Plaza auf den Weg ins Zentrum von Boston gemacht hatte, um sich zu vergewissern, dass seinem Kollegen nichts passiert war. Die beiden befanden sich in einem anonymen Motelzimmer in einem anonymen Motel irgendwo an der I-91 zwischen Springfield in Massachusetts und Hartford in Connecticut, bewacht von FBI-Agenten mit Akzent aus dem Mittleren Westen. Nach dem Schusswechsel hatte Magnus nicht zurück auf die Dienststelle fahren dürfen.
    »Ich glaube nicht, dass das nötig ist«, sagte Magnus.
    »Okay, ich aber.«
    »Sprechen wir hier vom Zeugenschutzprogramm?«
    »Schon möglich. Dies war der zweite Mordversuch an dir innerhalb von einer Woche.«
    »Ich war müde. Ich hab nicht aufgepasst. Kommt nicht wieder vor.«
    Williams hob die Augenbrauen. Tiefe Furchen durchzogen sein schwarzes Gesicht. Er war klein, kompakt und zielstrebig, ein guter Chef, und er war ehrlich. Deshalb hatte Magnus sich vor sechs Monaten Williams anvertraut, als er mitbekommen hatte, dass sein Kollege Lenahan auf dem Handy mit einem anderen Polizisten über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher