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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery
Autoren: Sven Regener
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selten«, sagte er nach dem ersten Zug. »Nur noch bei Gelegenheit.«
    Also rauchten wir einige Zeit nebeneinander her und sagten nichts, und das war eine ganz einfache Sache, sitzen, rauchen, nichts sagen, es war fast wie beim Frühstück mit Henning, nur dass bei Henning die Sache einen schwarzen Anstrich hatte, man wusste nie, ob er nicht gleich tot umfallen würde, nur um einem ein schlechtes Gewissen zu machen, Henning war unberechenbar, nicht aber Raimund, bei Raimund war alles easy going, daran erinnerte ich mich jetzt wieder, easy going, das war mal seine Lieblingsantwort auf alles gewesen, easy going, aber bis jetzt hatte er das noch nicht gesagt, vielleicht hatte er etwas Neues, fünf Jahre sind eine lange Zeit.
    »Und sonst, Raimund? Wie läuft’s denn immer so?«
    »O Mann!« Raimund saugte gierig an seiner Zigarette, »alles tippitoppi Mann, I love it!«
    »Tippitoppi?«
    »I love it, Mann, Charlie, ich sag dir, du glaubst es nicht, BummBumm, weißt du noch, wie ich dir davon erzählt hatte?«
    »Wieso erzählt? So hieß doch der Club von dir und Ferdi, was gab’s denn da zu erzählen?«
    »Ja, das Label auch, das mach ich auch mit Ferdi!«
    »Ja, damals doch auch schon.«
    »Der ist immer noch dabei, der gute alte Ferdi, der ist jetzt schon fünfzig oder so, du glaubst ja nicht, wie das in den letzten Jahren gelaufen ist, ich glaube, das ging alles erst nach deiner Zeit los.«
    »Sieht so aus.« Ich wusste das Wichtigste. Ich meine, okay, ich war in Altona und wohnte mit Leuten wie Klaus-Dieter und Astrid zusammen, denn es war eine gemischtgeschlechtliche Drogen-WG, »damit ihr gleich mal nichts verlernt, so sozialkompetenz- und gendermäßig«, wie Werner immer sagte, und so eine Drogen-WG war zu Recht nicht der große Nachrichtenumschlagplatz, die Entwicklung in den Clubs betreffend, aber »einmal Junkie, immer Junkie«, wie Werner sagte, und das galt natürlich auch für den deutschen Dance, und so wie ein Junkie immer wusste, wo es etwas gab, auch wenn er nichts mehr nahm, so wusste ich natürlich, was BummBumm als Label in jenen Tagen bedeutete und in welchen Sphären Raimund und Ferdi jetzt unterwegs waren.
    »Du glaubst es nicht, da kam ein Arsch aus dem Himmel und hat uns mit Geld zugeschissen, I love it, Charlie, das hätte ich nie gedacht, ich meine, wir waren ja Idealisten, oder? Wir waren doch Idealisten oder?«
    »Ich ja nicht so«, sagte ich und musste lachen. Das Gespräch fing mir an Spaß zu machen.
    »Dir geht’s aber ganz gut, was?«, sagte Raimund. »Scheint dir gut zu bekommen, das ohne Bier und so!«
    »Ich bin noch fetter geworden«, sagte ich. »Ich rauch schon dauernd, damit ich schlanker werde.«
    »Ich hab ja aufgehört«, sagte Raimund und wie zum Beweis drückte er die Zigarette aus, nachdem er noch einen letzten, tiefen Zug genommen hatte. »Ich rauch nur noch bei Gelegenheit. Aber dicker werd ich trotzdem nicht!«
    »Das ist gut zu wissen«, sagte ich, »das gibt Mut für einen selber, wenn man mal aufhören will.«
    »Da sagst du was.« Raimund schaute sich wieder fröhlich um. »Wovon leben die eigentlich hier? Die leben doch nicht nur vom Eisverkauf, das läuft ja wohl nicht so gut hier!«
    »Keine Ahnung, Raimund.«
    »Und du nimmst gar nichts mehr? Überhaupt nichts? Immer nüchtern und so?«
    »Ja.«
    »Hast du auch eine Telefonnummer?«
    »Ja klar. Ist aber eine WG, lass dich dann nicht abwimmeln.«
    Ich gab ihm die Nummer. Ich hatte zwar das Gefühl, dass ein Anruf von Raimund Schulte die Lage verkomplizieren würde, Raimund Schulte und der BummBumm-Club und Berlin und Clean Cut 1 und das Kinderkurheim Elbauen und Hamburg-Altona, das passte nicht zusammen. Aber die Nummer gab ich ihm trotzdem.
    Er musste dann auch los. »Ich bin Reiseneurotiker«, sagte er. »Sagt Ferdi immer, dass ich Reiseneurotiker bin, dann muss es ja wohl stimmen.«
    »Ja«, sagte ich, »wenn Ferdi das sagt …«
    »Hau rein, Charlie, schön, dich mal wiedergesehen zu haben. Hab mich immer schon gefragt, was aus dir wohl geworden ist.«
    »Naja, nichts Besonderes«, sagte ich.
    »Machst du noch Kunst?«
    »Nein.«
    »Dann geh ich mal!«
    Und dann war er weg. Ich hab für ihn mitgezahlt. Er hatte das vergessen. Das erste Mal seit fünf Jahren, dass ich Bier auf der Rechnung hatte!

2. Supervision
    »Was ist los, Werner?«, sagte Klaus-Dieter. »Du siehst irgendwie geschafft aus.«
    Werner hatte bis dahin während des Abendessens, das aus belegten Broten und Hagebuttentee ohne Zucker bestand,
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