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Märchenmord

Märchenmord

Titel: Märchenmord
Autoren: Krystyna Kuhn
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ich nicht mehr atmen. Luft, ich brauche Luft! Wie spät mag es wohl sein? Acht Uhr? Neun Uhr? Der Himmel vor dem Fenster wird langsam dunkel. In Paris bricht die Nacht nicht plötzlich ein wie in der Wüste, sie schleicht sich an. Ja, ich weiß, es ist verboten, aber ich halte es nicht mehr aus, gehe erneut zum Fenster, meine Hand greift nach dem Griff … Nein! »Karim sucht überall nach dir«, höre ich Pauline. »Jeden Tag wartet er vor der Schule auf dich. Wenn ich daran glauben würde, an eure Dschinns, den bösen Blick und all den Quatsch, würde ich sagen, der ist vom Teufel besessen.« Aber ich habe ihn gesehen, den Teufel in Karims Augen und die bösen Geister in seinem Blick, die seinen Kopf vernebeln. Immer wieder habe ich ihm gesagt, dass ich ihn nicht heiraten werde, dass ich es gar nicht kann, denn in Frankreich ist es verboten, mit fünfzehn zu heiraten. Aber er hat nur gelacht und gesagt, in der Wüste entscheidet Allah allein. Luft! Ich brauche Luft! Ich will gerade das Fenster öffnen, als ich das Mädchen mit den Chucks entdecke. Sie sitzt mir genau gegenüber am Fenster im Haus auf der anderen Straßenseite und für einen Moment treffen sich unsere Blicke. Dann hebt sie die Hand. Sie hat mich gesehen! Schnell wende ich mich ab. Nicht nur, weil ich Angst habe, sie könne mich verraten. Man weiß auch nie, wer den bösen Blick besitzt und einem Schlechtes wünscht. Meine Hand greift zum Amulett. Ich schließe die Augen, küsse dreimal den blauen Stein und murmele wieder einen Vers aus dem Koran. Irgendeinen . Nur um mich zu beruhigen . Plötzlich spüre ich einen Luftzug im Raum. Eine Bewegung hinter mir. Schritte . »Pauline, bist du das?«, rufe ich erschrocken und drehe mic h um . Das Licht geht an. Meine Augen schmerzen in der Helligkeit . Karims Augen glühen wie die eines Schakals, der um das Feue r schleicht . Ich werde Julien nie wiedersehen .
    •

Eins
    E s war Sonntagabend und ein schwüler Tag in Paris. Eine aufgeheizte Stadt unter Wolken, die sich zusammenzogen. Gin a war sicher. Das war ein böses Omen, ein schlechtes Vorzeichen . Denn Paris und Gina – Gina und Paris waren einmal Seelenverwandte gewesen. Jetzt aber war die Stadt für sie eine Fremde . Ihre Schönheit Betrug. Die Häuser nur Theaterkulisse . »Gleich fahren wir durch den Tunnel de l’Alma«, hörte sie ihr e Mutter sagen, »du weißt schon, in dem Prinzessin Diana vo r zehn Jahren verunglückt ist. « Aha. Sehr interessant . Dennoch klappte Gina das Handy auf und begann zu filmen . »Ja«, flüsterte sie, »jetzt geht es hinein in den Tunnel des Todes , in dem Lady Di am 31. August 1997 um Mitternacht von de n Paparazzi zu Tode gehetzt wurde. Mit Dodi, ihrem Geliebten. «
    »Was flüsterst du da? « Gina beantwortete die Frage ihrer Mutter nicht, sondern wischte mit der Hand die schmutzige Scheibe sauber und presste da s Handy ans Fenster. Wenn sie schon den Sommer in Paris verbringen musste, war wenigstens das Nokia ein Trost. Platz ein s auf der Topliste der Handys. Ihr Vater hatte es ihr geschenkt, al s er auszog, was wiederum bei ihrer Mutter ein spöttisches Lächeln hervorgerufen hatte . »Aha, beginnt er schon, sich mit Geschenken bei dir einzuschmeicheln? Das kann er gut, dein Vater. «
    »Er weiß eben, was ich wirklich brauche«, hatte Gina geantwortet und gedacht: Im Gegensatz zu dir! »Du meinst wohl im Gegensatz zu mir?«, hatte ihre Mutter ihre Gedanken gelesen. »Aber meiner Meinung nach brauchst du einen Vater, der in den Ferien etwas mit dir unternimmt, anstatt die Zeit mit seiner neuen Flamme zu verbringen. Und so ein teures Handy noch dazu.« »Du bist nur eifersüchtig!« »Ich? Eifersüchtig? Auf keinen Fall!« Bis vor einem halben Jahr war Gina der festen Überzeugung gewesen, dass ihre Eltern sich liebten. Von wegen! Sie hassten sich. Sie waren wie Hund und Katze, wie Feuer und Wasser, wie…wie…wie Eis und… Wüste! Eltern, die sich scheiden ließen, brachten das Leben ihrer Kinder ganz schön durcheinander. Das war, als wenn die Erdkugel sich plötzlich in die falsche Richtung drehte und man das Gleichgewicht verlor. Das Gefühl zu schwanken verließ einen nicht mehr. Das Handy piepste dreimal laut. Endlich eine Nachricht von Tom. Nein. Zum x-ten Mal Marie. ZDI ER LIDINI
    Zu deiner Information. Er liebt dich nicht.
    Darauf gab es nur eine Antwort: LAMIFRI
    Lass mich in Frieden.
    Sie hatte gedacht, dass Marie ihre beste Freundin sei. Aber al s Gina sich in Tom verliebte, da hatte Marie
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