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Märchen

Märchen

Titel: Märchen
Autoren: Astrid Lindgren
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Plötzlich hörte ich die Stimme meines Vaters, Papa stand da!
    »Aber Kinder, was um alles in der Welt treibt ihr denn hier?«
    fragte er.
    »Wir waren bei Großmutter«, sagte mein Bruder. Jetzt stand auch er neben mir. »Was hast du denn?« fragte er.
    Er legte mir die Hand um den Nacken, und dann lachte er laut los. »Du sitzt ja fest«, sagte er. »Guck mal, ein Haselzweig hat sich unter dem Strick festgeklemmt.«
    Aber ich konnte nicht lachen. Auch wenn Rupp Rüpel ganz plötzlich verschwunden war. Ich weinte nur, ja, ich weinte, während Papa mich befreite und mir den schweren Sack abnahm, und ich weinte auch noch, als er mich hinunter zur Landstraße trug, wo Pferd und Wagen standen. Doch da trocknete ich meine Tränen und kletterte geschwind auf den Wagensitz. Was für ein Glück, daß Rupp Rüpel verschwunden war und ich meine müden Beine ausruhen konnte. Ja, es war wunderbar, den ganzen Weg nach Hause zu fahren. Manchmal hat man ja wirklich Glück. Papa war in der Mühle gewesen, und die lag nicht weit von Großmutters Häuschen. Auf dem Heimweg hatte er von oben, vom Bergrücken, Gitarrengeklimper und lautes Schreien gehört.
    »Und da dachte ich mir: das sind doch bestimmt die Kinder«, sagte Papa.
    Ich saß neben ihm auf dem Kutschbock und hielt seinen Arm ganz fest. Jetzt ging es heimwärts auf dem holprigen Weg, wo der Wagen hüpfte und schaukelte, heimwärts in der Dunkelheit.
    Und bald war es auch stockfinster. Hinter mir auf der Ladefläche hockte mein Bruder. Er hatte wieder angefangen zu spielen, und jetzt sang er auch dazu:
    »Im tiefen, tiefen Walde«, sang er.
    Es war eins unserer schönsten Lieder, ein trauriges, von einem armen Kind, das sich im dunklen Wald verirrt hatte.
    »Kindlein in der Einsamkeit
    weinte sehr, ging zu weit«,
    oh, wie traurig und schön es war! Aber zum Glück endete alles gut, das Kind kam schließlich nach Hause. Und mein Bruder zupfte die Saiten und schmetterte fröhlich den Schluß-
    vers:

    »Vater, Mutter sind zu Haus,
    und jetzt ist der Kummer aus!«
    Auch für mich war alles gut ausgegangen, ich weinte nicht mehr in der Einsamkeit unter Kiefern und Haselsträuchern. Und bald waren wir zu Hause, und der Kummer war aus. Und Rupp Rüpel hatte mich auch nicht in seinen Klauen!
    Aber den Schrecken hatte ich nicht vergessen. Und als wir beide zu Hause am Küchentisch saßen und Abendbrot aßen, mein Bruder und ich, da fragte ich ihn:
    »Glaubst du, daß ich nach alldem auch nicht mehr ganz richtig im Kopf bin? «
    »Ach, so einigermaßen schon«, sagte mein Bruder.
    Wirklich beruhigt war ich trotzdem nicht.
    »Aber die Magd auf dem Pfarrhof, die wurde nie wieder richtig im Kopf, das weißt du!«
    Da lachte mein Bruder.
    »Na, ganz so übergeschnappt wie die bist du ja nun doch nicht«, sagte er.
    Die Prinzessin, die nicht spielen wollte
    s war einmal eine Prinzessin, die nicht spielen wollte. Sie hieß Lise-Lotta. Wie fast alle Prinzessinnen hatte sie helles E lockiges Haar und blaue Augen.
    Sie hatte ein Zimmer voller Spielsachen. Da gab es die süßesten kleinen Puppenmöbel und Puppenherde mit richtigen kleinen Töpfen und Wasserkesseln, da gab es alle Arten Stofftiere, weiche Katzen und struppige Hunde. Da gab es Baukästen und Malbücher und Tuschkästen und einen richtigen Kaufmannsladen mit Rosinen und Zucker und bunten Bonbons in den Schubfächern.
    Und trotzdem wollte die Prinzessin nicht spielen.
    Ihre Mama, die Königin, war immer sehr traurig, wenn sie Lise-Lotta mißmutig in diesem schönen Spielzimmer sitzen sah.
    »Lise-Lotta«, sagte die Königin, »willst du nicht spielen?«
    »Nein, das macht keinen Spaß«, sagte Lise-Lotta.
    »Vielleicht möchtest du eine neue Puppe haben?« schlug die Königin vor.
    »Nein, nein«, sagte Lise-Lotta, »ich kann Puppen nicht leiden!«
    Da dachte die Königin, daß Lise-Lotta krank sei, und rief den Leibarzt der Prinzessin an, der sofort kam und ihr eine neue Medizin verschrieb. Nun würde sie sicher froh und munter werden und anfangen zu spielen, meinte der Leibarzt.
    Aber nein, nichts half.
    Lise-Lotta versuchte, es ihrer Mama recht zu machen. Sie nahm eine Puppe, die ein blaues Kleid anhatte, und zog ihr statt dessen ein

    rotes an. Auf winzig kleinen Kleiderhaken hingen viele hübsche Puppenkleider. Da war nur zu wählen. Aber als das erledigt war, guckte sie die Puppe an und sagte:
    »Du bist genauso häßlich wie vorher.«
    Dann warf sie die Puppe in eine Ecke und fing an zu weinen.
    Die Prinzessin wohnte in
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