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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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auch alsbald auf der Wiese erschienen. Norman lenkte ein Fahrrad, das, wie sich später herausstellte, Dodo gehörte. Auf der Stange saß Rico, der ununterbrochen die Klingel betätigte und mit den Füßen gegen das vordere Schutzblech trat, das darunter schon hinlänglich gelitten hatte und lose herabhing, woraus sich ein besonders schöner Scheppereffekt ergab. Maggy hatte jauchzend vom Gepäckträger Besitz ergriffen und wippte dergestalt, daß er im Rhythmus zu Ricos Gebimmel auf das Schutzblech schlug.
    Lindo verstopfte sich die Ohren mit den Zeigefingern und schrie: »Seid ihr wahnsinnig geworden!«
    Donna und Leontine stürzten dem Gefährt hinterher, um es aufzuhalten, was sich natürlich als aussichtslos erwies.
    Alonzo und Schilderich waren von der Szene offenbar belustigt. Der Waldhüter zwinkerte seinem Freund zu, und der stimmte einen fröhlichen Tanz an, dessen Takt die musikalisch begabte Halbelbenbrut sofort aufnahm.
    Leontine hielt sich mit schmerzverzerrter Miene die Seite.
    »Nanu, Frau Kammersängerin«, stichelte Donna, »so eine schlecht trainierte Atmung?«
    Plötzlich trat Stille ein. Das Trompetenecho verhallte im Wald. Norman hatte das Gefährt zum Stehen gebracht und die Hand erhoben, was zum einen den Geschwistern als Zeichen galt zu schweigen, zum anderen war es die Begrüßung der zwei Neuankömmlinge, die die Festwiese in dem Augenblick betraten.
    »Hallo, Diana«, sagte Maggy mit lässig englischer Aussprache, und Rico krähte: »Was wir von deinem Fahrrad übriggelassen haben, kannste wiederkriegen, Dodo!«
    Dodo warf einen gleichgültigen Blick auf das demolierte Fahrzeug. Sein Gesicht war verklärt, wie er so hinter der Frau aus dem Walde herging, als sei ihm eine hohe Gnade zuteil geworden -dabei schleppte er doch wie ein Lastträger an zwei Körben. In dem einen befanden sich verstaubte grünliche Weinflaschen, im anderen Brombeeren, Schlehen, Hagebutten und nie gesehene Kräuter und Spezereien, deren Duft die ganze Aue überflutete. Diana war bekränzt mit buntem Laub und Ranken, und ihre dunklen Augen lächelten, als sie in den Kreis der anderen trat. Eine süße Kantilene aus Schilderichs Trompete begrüßte sie, und Alonzo warf sich ihr mit einem rauhen Jubelruf zu Füßen.
    »Friede über diesem Fest«, sagte die blasse Elbin freundlich, »und gutes Gedeihen dem Abend. Elen sila lumenn’ omentielvo! Ich bringe die Grüße des Waldes und diesen Gekränkten, dem ihr den Abend versüßen sollt. Nicht immer kennt er sich aus in den Bräuchen. Seid nachsichtig.«
    »Ich bin nicht mehr gekränkt«, bemerkte Dodo und packte die Flaschen aus. »Liebreich war sie zu mir, und mir ist, als sei alles Sehnen meines Herzens gestillt, seit ihre kühle Hand mir übers Haar strich. Hier - nehmt zum heutigen Fest die verborgensten Schätze des alten Weinbergs, auf dem ein Großer lebte und sang. Wein der Hügel, so alt wie die Löwensphinx.« Er warf einen schnellen Blick zu der errötenden Leontine. Offenbar hatte Diana mehr getan, als ihm übers Haar zu streichen. Sie hatte ihn auch wissend gemacht.
    »Für deinen Kuchen, liebe Schwester, bringe ich dir diese Früchte, die Alonzo und ich dir spenden. Die würzige Beere bewahrt uns den Sommer, die herbe Schlehe ist die Erinnerung an das Leid, das auch unvergessen sein soll, und die leuchtende Hagebutte vergeht so wenig, wie das Leben je vergeht.«
    Unter dem Beifall der anderen hob Dodo den Korb und kippte den Inhalt zu Leontines Teig, die sogleich mit hochgekrempelten Ärmeln daranging, die neuen Zutaten unterzuwalken.
    »Und die Kräuter?« fragte Lindo interessiert, »was war das?«
    Die Waldfrau lächelte schelmisch. »Dies und jenes. Jelängerjelieber und eine Prise Lorbeer auch.«
    »Werdet ihr wohl!« kreischte Donna dazwischen. Ihre Brut war schon wieder eifrig dabei, vom Teig zu naschen.
    »Einer sitzt noch zu Hause bei verschlossenen Türen und grollt«, sagte Diana. »Wer geht und holt Herrn Adalbert?«
    »Ich«, erbot sich Lindo. »Schließlich waren wir befreundet, wenn wir uns auch auseinandergelebt haben.« Er entfernte sich.
    Leontine hob inzwischen die große irdene Kuchenform in die glühende Asche. Nun galt es zu warten.
    »Komm, Feuerdrache, laß uns die Lichter anzünden«, sagte Alonzo auf einmal in seinem rauhen Ton und sprang auf.
    Donna verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. »Meinen Sie mich? Ich kann nicht.«
    »Unsinn«, entgegnete der Waldhüter. »Was man will, kann man auch.«
    Und so gebieterisch waren
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