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Madonna

Madonna

Titel: Madonna
Autoren: Kathrin Lange
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Euren Träumen erzählt. Ich …« Spindler kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn mit einem Ruck fuhr Katharina auf.
    »Was?«, entfuhr es ihr.
    Der alte Mann in der hinteren Bankreihe riss erschrocken die Augen auf. Schuldbewusst setzte Katharina sich wieder und fügte leiser und an ihre Mutter gewandt hinzu: »Warum?«
    Sie hatte Mechthild vor ein paar Tagen im Vertrauen davon erzählt, dass sie seit ungefähr drei Wochen schlimme Alpträume plagten, deren Herkunft sie sich nicht so recht erklären konnte. Mit keinem Wort war die Rede davon gewesen, dass ihre Mutter diese Dinge brühwarm an ihren Beichtvater weiterplaudern sollte. Katharina verspürte einen harten Knoten von Wut in ihrem Magen, und sie musste sich zwingen, nicht die Fäuste zu ballen.
    Spindler schien ihren Aufruhr zu spüren. Er spürte immer, was sie dachte. »Macht Eurer Mutter keine Vorwürfe!«, bat er. »Es ist allein meine Schuld.«
    Natürlich!
    Katharina schnaubte.
    »Doch!«, setzte er hinzu. »Neulich, kurz nachdem Ihr ihr von den Träumen erzählt hattet, kam ich zu ihr, und ich merkte, dass sie etwas bedrückte. Ich habe nicht lockergelassen, bis sie sich mir anvertraut hat. Wenn Ihr also auf jemanden wütend sein müsst, dann seid es auf mich!«
    Mechthild hielt den Kopf gesenkt, während er sprach, doch jetzt schaute sie auf. Sie hielt Katharinas funkelndem Blick stand, und ein Anflug von Trotz blitzte in ihren Augen auf.
    Was kann ich dafür?, schien ihre Miene zu sagen. Immer sagten ihre Blicke solche Dinge.
    Was kann ich dafür?
    Es ist eben nicht zu ändern.
    Oder, am schlimmsten von allem: Stell dich nicht so an!
    Katharina klammerte beide Hände um die Sitzfläche der Bank. Jäh krampfte sich ihr gesamter Unterleib zu einem dumpfen Schmerz zusammen. Es war dieser Schmerz, mit dem sie aus ihren Alpträumen aufwachte, Nacht für Nacht, doch davon hatte sie ihrer Mutter nichts erzählt.
    »Ihr träumt, dass Ihr durch dunkle Gassen lauft«, sagte Spindler und zeigte Katharina damit, dass alles, was sie ihrer Mutter erzählt hatte, inzwischen von ihrem Mund zu seinem Ohr weitergewandert war. »Ihr träumt, dass Euch jemand verfolgt.«
    Katharina knirschte mit den Zähnen. Sie konnte nichts dagegen tun, plötzlich fühlte sie sich direkt in ihre Alpträume katapultiert. »Ich sehe niemanden«, murmelte sie mit tauben Lippen. »Es ist nur ein Gefühl.«
    Es war ein Gefühl von unendlicher Bedrohung, ein Gefühl, das ihr die Luft abschnürte und sie mit einem Keuchen – manchmal auch mit einem entsetzten Schrei – aus dem Schlaf auffahren ließ.
    Spindler nickte sachte vor sich hin. Sein Blick ruhte jetzt auf der Madonnenstatue, und für einen Augenblick wurden seine Augen so trüb wie die des alten Mannes hinter ihm.
    Beim Gedanken an den Mann wandte Katharina den Kopf und stellte verblüfft fest, dass er die Kapelle in der Zwischenzeit verlassen hatte. Sie hatte ihn nicht gehen hören.
    »Diese Träume«, hörte sie Spindler sagen und wandte ihm wieder ihre Aufmerksamkeit zu, »sie sind Ausdruck Eurer Unsicherheit. Gott schickt sie Euch, weil er Euch etwas sagen will.«
    Sie nickte. Die Muskeln in ihrem Genick fühlten sich an, als seien sie plötzlich aus hartem Draht.
    »Er will Euch sagen, dass Ihr Euch nicht fürchten müsst.«
    Mitten im Nicken hielt sie inne. »Dann bedient er sich aber einer ziemlich seltsamen Sprache«, murmelte sie.
    Spindler legte ihr eine warme Hand auf den Arm. »Ihr missversteht mich. Die dunklen Gassen, durch die Ihr im Traum lauft, sie sind einSymbol für Euren Lebensweg. Ihr trauert noch immer um Euren Mann, und Ihr müsst erst noch einen Weg finden, wie Ihr Euer Leben ohne ihn sinnvoll fortsetzen könnt.«
    Sie spürte, wie sich Widerspruch in ihr regte. Sie hatte ohne Egbert gelebt, lange Zeit. Wie konnte Spindler da behaupten, dass sie ohne ihn nicht zurechtkam? Es war Egbert gewesen, der sie im Stich gelassen hatte, der einfach so fortgegangen war. Und dann, wie aus dem Nichts, war er wieder aufgetaucht, gerade, als sie sich einem anderen Mann …
    Wieder verwehrte sie sich den Gedanken mit eiliger Erschrockenheit. Mit beiden Händen rieb sie ihre Schläfen.
    Spindler interpretierte diese Geste falsch. Sanft sagte er: »Es gibt Hilfe für Frauen wie Euch.« Er begann, an seinem Gewand herumzunesteln, als wolle er etwas aus der eingenähten Seitentasche ziehen.
    Katharina konnte nicht anders. Missmutig wiederholte sie: »Frauen wie mich!«
    Spindler entschärfte ihren Tonfall mit einem
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