Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Netenjakob
Vom Netzwerk:
dieser Stelle kommt es in der Regel zu einer kurzen zweifachen Beckenbauer-Imitation.
    »Ja gut äh, sicherlich, der Christoph Daum, er kokst nicht mehr, deshalb fehlt ihm die Power, die Energie ...«
    »Ja, gut, äh ... klar.«
    So was macht einfach mehr Spaß, als ehrlich über seine Gefühle zu reden. Dann hätte ich nämlich sagen müssen, dass ich meine Trennung noch längst nicht überwunden habe und seitdem versuche, meine Einsamkeit mit erotischen Abenteuern zu übertünchen, die aber nicht stattfinden, weil ich die Frauen entweder gar nicht anspreche oder aber Getränke bestelle. Das hätte die ganze Stimmung irgendwie runtergezogen. Und dann hätte sich auch herausgestellt, dass Mark total frustriert ist, weil seine türkischen Mit-Animateure jeden Tag deutsche Touristinnen abschleppen und er seit Beginn der Saison leer ausgegangen ist.
    Das ist aber auch echt gemein: Türkische Männer können einfach besser flirten. Die sind mit der Kellnerin schon im Bett, wenn ich noch an der dritten Cola nippe. Keine Ahnung, wie sie das machen.
    Während ich schweigend neben Mark an der Pool-Bar sitze, die erste Piña Colada meines Ultra-All-inclusive-Angebots genieße und darüber nachdenke, ob türkische Männer auch eine Minute lang bewusst atmen, bevor sie einen Flirtversuch starten, habe ich eine Erscheinung: eine Frau. Lange braune Haare, dunkle Knopfaugen, süßer Schmollmund und ein Körper, der einer Modelkarriere auf keinen Fall im Weg stehen würde. Mit einem Wort: Traumfrau. Eine Frau, die mich innerlich so aufwühlt, dass ich Mark tiefste Einblicke in meine Seele gewähre:
    »Ey, panikmäßig geil, die Alte. 'ne echte Hammer-Braut.«
    »Aylin?! O ja. Aber vergiss sie einfach.«
    »Warum?«
    »Ist doch egal. Vergiss sie einfach.«
    Was soll's. Auf meiner Festplatte gibt es sowieso kein Programm für den Umgang mit Frauen wie Aylin. Ich bin in den 70er-Jahren aufgewachsen, in den Zeiten der Frauenbewegung. Meine Eltern haben mir beigebracht, dass man Frauen achtet und respektiert. Das hat mir früher schon auf Partys sehr geholfen: Während die Mädels mit anderen Jungs knutschend in der Ecke lagen, habe ich sie geachtet und respektiert... Und irgendwer musste ja auch die ganzen Nudelsalate essen.
    Jetzt kommt Aylin auf uns zu. Mein Herz schlägt schneller, mein Mund wird trocken. Die Zeit dehnt sich, sodass in meinemKopf Platz für eine Riesenmenge unnötiger Gedanken entsteht, von denen ich hier nur einen kleinen Teil auflisten möchte:
    • Ist mein Hosenschlitz zu?
    • Ich muss mich jetzt schnell vor eine weiße Wand stellen, damit meine Haut nicht ganz so käsig aussieht.
    • Ich darf jetzt nicht Reiner Calmund imitieren.
    • Sooo käsig ist meine Haut doch gar nicht. Die Unterarme sind schon fast hellbeige.
    • Die ersten zehn Sekunden sind die wichtigsten. Da entscheidet sich alles.
    • Ich nehme ab sofort nicht mehr Lichtschutzfaktor 50, sondern nur noch 10.
    • Mein Gott, ist die schön.
    • Ich sollte sie nicht so sehr auf ihr Äußeres reduzieren.
    • Schwachsinn, bisher kenne ich doch nur ihr Äußeres.
    • Okay, vielleicht nehme ich doch Faktor 20, aber dafür bleibe ich dann länger draußen.
    • Ich darf jetzt keine Erektion kriegen, das würde man bei der Leinenhose sofort sehen!
    • Ich muss an was Unerotisches denken ... Fußball. Wenn es hier Internet gibt, kann ich Köln gegen Eintracht Frankfurt im Live-Ticker verfolgen.
    • Sag mal, spinnst du?! Du begegnest deiner absoluten Traumfrau und machst dir Sorgen wegen dieser Gurkentruppe!
    Etwa in diesem Moment spricht Aylin Mark an.
    »Du Mark, gleich vier, wir müssen die Wasserballtore aufbauen.«
    »Okay. Übrigens, das ist ein Freund von mir, der macht hier zwei Wochen Urlaub ... Daniel, Aylin.«
    »Hallo, Daniel. Freut mich.«
    Sie gibt mir die Hand. Ich nehme sie. Ich muss jetzt irgendwas sagen. Es muss intelligent sein. Intelligent und witzig. Vielleicht ein philosophisches Zitat? Nein, es sollte was Eigenes sein. Aber es muss knallen. Etwas, an das sie sich noch Jahre später erinnern wird.
    »Hi.«
    Na ja, »Hi« war vielleicht nicht ganz die optimale Lösung, aber immerhin. Besser als beim Abiball, als mein Anbaggerversuch bei der schönen Gaby Haas damit endete, dass ich drei Stunden mit ihrer hässlichen Freundin über das Militärregime in Nicaragua diskutiert habe ... Da kommt mir die Idee, dass es vielleicht besser wäre, jetzt Aylins Hand loszulassen. Mir wird für eine Sekunde sehr heiß. Dann lasse ich los.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher