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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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sein Gedankengut zu tun, als vielmehr mit dem, was die sonst erfolgreiche soziale Bewegung nicht zu Ende gedacht hat: dass Kopf und Körper zusammengehören. Oder anders gesagt: dass Frauen mit Uterus und Hirn geboren werden und viele beides zu nutzen wünschen.
    In dieser Leerstelle der Emanzipation irren die Frauen der Generation Spagat umher. Sie ist der Grund, warum heute Frauen, sobald sie Mütter werden, wieder in die alten Rollenmuster zurückzusinken drohen. Auch nach vierzig Jahren Feminismus haben Mütter immer noch nicht die Freiheit, Mutterschaft nach ihrem Willen in ihr Leben zu integrieren. Mütter sind nicht einfach Mütter – sie sind Glucken oder Karrieremütter, Teilzeitmamas oder Rabenmütter. Sie werden permanent verglichen, bewertet und gegeneinander ausgespielt. Und sie selbst machen das leider besonders eifrig.
    Wir geben uns in unserer politisch korrekten Einstellung unglaublich Mühe, sprachlich niemandem zu nahe zu treten: Lernbehinderte sind heute Förderschüler, Blinde sind visuell herausgefordert, und um Behinderte nicht auf ihre Behinderung zu reduzieren, sprechen wir von Menschen mit Behinderungen. Bei den Müttern aber pfeifen wir auf Political Correctness .
    Die Mutterbilder und Mutternormen sind der Grund, warum fast alle Vertreterinnen dieser Spezies andauernd ein schlechtes Gewissen durch den Alltag tragen. Wenn etwas die Mütter der Generation Spagat verbindet, über Herkunfts- und Einkommensgrenzen hinweg, dann ist es dieses ständige Gefühl, als Mutter nicht zu genügen – und auch nicht als Frau, als Arbeitnehmerin, als Geliebte und als Freundin. Das schlechte Gewissen ist zum Erkennungsmerkmal einer ganzen Frauengeneration geworden. Wenn die schreibenden Vertreterinnen dieser Generation, die irgendwann Kinder geboren haben und sich mit dem Thema beschäftigen, sich gegen etwas auflehnen, dann gegen die Selbstaufgabe der Mütter, die unausgesprochen immer noch von ihnen erwartet wird. Ayelet Waldmanns Buch Böse Mütter ist ein einziges Anschreiben gegen das schlechte Gewissen, Rabenmütter-Bücher und Bad-parenting-Blogs sind zur Königsdisziplin des Genres geworden. Es gehört heute fast zum guten Ton, die eigene Unzulänglichkeit als Mutter vor sich herzutragen wie eine Trophäe moderner Fraulichkeit.
    Der Mythos der Supermutter hat die Emanzipation unbeschadet überstanden. Die feministische Rebellion hat ein neues Frauenbild geschaffen, aber kein neues Mutterbild. Hundertfach beschrieben Frauen die Falle, in die Mütter nach der Geburt der Kinder tappen. Auf die berühmt gewordene Formel brachte es Simone de Beauvoir: «Mutterschaft ist die Versklavung der Frau durch die Gattung.» Sie erkannten die Falle, warnten davor und empfahlen eine grundsätzliche Vermeidung. Aber keine setzte sich zum Ziel, die Falle zu entschärfen. Wer Mutter ist, kann nicht frei sein – so lautete die Bilanz der Frauenbewegung. Kate Millet, Germaine Greer, Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer zogen die Konsequenzen und blieben kinderlos. Wer sich freiwillig in die Falle begibt, ist – besonders seit Erfindung der Pille – selbst schuld.
    Die Avantgarde des Feminismus hat den Bauch dem Kopf geopfert und damit den Muttermythos in seiner Negation bestätigt, wie Heide Oestreich in einem brillanten Essay in der Berliner taz feststellte: Die Frau muss wählen. Uterus oder Hirn, beides geht nicht. Als Mutter werde die Frau geköpft. Ganz wie es Rousseaus Erben vormachten, als sie während der Französischen Revolution Madame Roland guillotinierten, weil sie sich erdreistete, nicht nur Kinder, sondern auch politische Gedanken zu gebären. «Sie war Mutter, doch sie hatte die Natur vernachlässigt, indem sie sich über sie erheben wollte», hieß es in der Begründung ihrer Hinrichtung.
    Die Scharfrichter gibt es heute noch. Sie vertreten eine naturalistische Ideologie, die in der Folge der Ölkrise der siebziger Jahre Einzug hielt, wie Elisabeth Badinter in ihrem jüngsten Buch, Der Konflikt , analysiert. Immer mehr war von Gesetzen der Natur zu lesen, vom Wesen der fürsorglichen Mutter, vom Mutterinstinkt. Die «Differenz-Feministinnen» funktionierten die Fessel Natur einfach in eine Tugend um: Der Uterus war keine Gefahr mehr, sondern ein Geschenk, und Mutterschaft wurde wieder zur zentralen Erfahrung der Weiblichkeit. Die Kehrtwende des Feminismus blieb nicht folgenlos: Eine ganze Frauengeneration übte sich nun im gemeinsamen Menstruieren, stimmte das Hohelied des ach so potenten
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