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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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gelaufen, wie sie es sich gewünscht hätten. Obwohl sie selber schon Dutzende von Interviews geführt hatten, war die neue Rolle auf der anderen Seite ungewohnt, zumal live vor einer Fernsehkamera. Also hatten sie sich damit begnügt, inhaltlich und grammatikalisch einigermaßen vollständige Sätze zu formulieren.
    Erst als Patrick aus Zürich ins Studio anrief und sich über die Bemerkung einer Macho-Mama beschwerte, fühlten sie sich auf vertrautem Terrain. Niemand könne behaupten, die Schweiz sei ein kinderunfreundliches Land, meinte er. Im Gegenteil. Wenn man einer Schwangeren den Kinderwagen ins Tram heben wolle, werde man zurückgewiesen. Und zwar unfreundlich. Dabei habe er, Patrick aus Zürich, überhaupt nichts gegen Schwangere. Nie seien Frauen schöner als in anderen Umständen. «So kann man es auch sehen», bemerkte der Moderator, und dann ließen sie diese kleine Demonstration von fundamentalem Missverständnis im Raum stehen.
    Die Macho-Mamas spielten mit dem Gedanken, sich mit Patrick aus Zürich in eine Diskussion einzulassen. Sie hätten ihn fragen können, warum er die Bemerkung über die kinderunfreundliche Schweiz als persönlichen Angriff wertete. Warum er das zum Anlass nahm, sich seinerseits über die Schweizer Frauen zu beschweren, weil sie es wagten, seine gönnerhafte Hilfe zurückzuweisen. Wo er doch Frauen nie schöner fand als während ihrer Schwangerschaft. Als wäre ihre Schönheit ein guter Grund, ihnen zu helfen.
    Sie hatten glänzen, ihr Bestes geben, beweisen wollen, dass sie die Auszeichnung verdient und nicht bloß deshalb erhalten hatten, weil sie Frauen waren, und zudem blond. Es lag eine gewisse Ironie in dem öffentlichen Bild, das sie nun abgaben: Beide waren sie mit der Vorstellung ins Arbeitsleben gestartet, dass ihr Geschlecht keine Rolle spielen sollte. Deshalb hatten sie sich immer bemüht, als Mütter unsichtbar zu bleiben. Hatte es nicht geheißen, Frauen müssten bloß ihr rosarotes Ghetto verlassen, um erfolgreich zu werden und sich vom Fluch zu befreien, immer zuerst als Frauen wahrgenommen zu werden? Vielleicht war es gerade umgekehrt.
    Das rosa Ghetto «Familie» jedenfalls hatte sich inzwischen in ein Trendquartier verwandelt, in dem heute sogar Männer mit Kolumnen wilderten. Vielleicht weil Familie für unsere Gesellschaft nach wie vor ein wichtiger Wert ist und ihre Formen immer vielfältiger werden. Wir wohnen gerade dem Prozess bei, dass sich eine Vielzahl neuer Rollenbilder für Männer wie für Frauen herauskristallisieren. Und nirgendwo lassen sich diese gesellschaftlichen Entwicklungen deutlicher ablesen als in der Familie.
     
    Die Macho-Mamas bestellten noch ein Bier. Vielleicht, so scherzten sie, hätte die Sendung etwas Pepp gewonnen, wenn sie sich mit Patrick aus Zürich tatsächlich verbal gezofft und ein bisschen Feminazi-Power heraufbeschworen hätten. Sie hätten versuchen können, das Zerrbild der machthungrigen Frau und kaltherzigen Mutter zu korrigieren. Aber ihre Erfahrungen mit dem Internet hatten sie gelehrt, dass solche Diskussionen so erfolgversprechend waren, wie einen Metzger von den Vorteilen der veganen Ernährung zu überzeugen.
    Auch hatten sie sich gar nie als Vorzeigemütter verstanden. Sie waren wie viele andere Mütter bloß daran, neue Möglichkeiten auszuprobieren. Denn das Internet hatte auch die praktischen Voraussetzungen ihrer Arbeit verändert. Wenn Arbeits- und Lebenszeit nahtlos ineinander übergehen, entsteht ein leicht aus der Balance zu bringendes System. Zumal der Alltag mit Kindern ziemlich unberechenbare Dynamiken entwickeln kann.
    Die Macho-Mamas hatten gelernt, dass der Anspruch hoch sein muss, Perfektion aber unerreichbar bleibt. Das galt für sie als Journalistinnen und als Mütter. Manche Texte gelangen auf Anhieb, weil die Idee und der Zeitpunkt stimmten. Andere wollten einfach nicht recht funktionieren. Auch als Mutter erlebte man Nachmittage, an denen alles wie am Schnürchen lief und andere, an denen die Kinder aufsässig waren, der Haushalt liegenblieb, die Spaghetti verkochten. Doch im Mutterleben ist es wie im Blog: Es zählt nicht der tägliche Erfolg oder Misserfolg, sondern das große Ganze. Wer sich dafür entscheidet, viel in seine Arbeit zu investieren, ist vielleicht keine perfekte Mutter. Aber es reicht, eine gute Mutter zu sein.
    Waren sie gute Mütter? Zumindest gut genug? Das fragten sich die beiden Macho-Mamas in der Bar. Kamen ihre Kinder zu kurz? Waren sie unglücklich mit ihren
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