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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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Geborenen, die Illies als apolitische und zutiefst hedonistische Kinder der Multioptionsgesellschaft beschreibt. Eine Generation, die vor allem auffiel durch die Perfektionierung der Nabelschau, die sie betrieb. Sie hatte in den achtziger Jahren pubertiert, im «langweiligsten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts», in dem jugendliches Aufbegehren gegen die politische Ordnung nur noch als Anekdote kursierte und die Punkbewegung als zahmes Moderevival wiederkehrte. Ihre Generation hatte nicht gekämpft, sondern gekauft. Die wirklich entscheidenden Fragen lauteten: Prince oder Michael Jackson? Popper oder Indie? Cool oder uncool? Und wie alle jungen Frauen damals wurde sie mit unzähligen Optionen ausgestattet und, eingehüllt in den Slogan «Weil ich es mir wert bin» wie in einen warmen Mantel, ins Erwachsenenleben entlassen.
    Doch nun saß sie an der Bruchstelle, an die jede Generation gerät, ob Golf oder Babyboomer – jedenfalls der weibliche Teil: in der Babypause. Weg vom Fenster. Der Unterschied ist nur: In einer Kultur, die das «Ich zuerst» zum Prinzip erhoben hat, ist Mutterschaft nicht mehr bloß eine Herausforderung, sie ist ein Widerspruch zu allen davor gemachten Erfahrungen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Niemand hatte ihr erzählt, wie es sich anfühlt, am Montag im Büro mitzumischen, am Dienstag in den Wehen zu liegen, am Mittwoch zu gebären und am Freitag allein zu Hause zu sitzen. In der Babypause hatte sie plötzlich Pause von allem , was sie kannte: von bezahlter Arbeit, von Anerkennung und Status, von Freunden, Selbstbestimmung, körperlicher Unbekümmertheit.
    Macho-Mama und ihre Zeitgenossinnen waren die ersten Frauen, zu deren normaler Planung es gehörte, den Arbeitsplatz wegen der Geburt nur für kurze Zeit zu verlassen. Sicher, der Mutterschaftsurlaub war ein Gebot der Gleichstellung, für den ihre Mütter, für den auch sie noch gekämpft hatten. Eine Errungenschaft, die in der Schweiz dreimal vor dem Volk scheitern musste, bis eine Mehrheit sich mit der Idee anfreunden konnte, dass Frauen nicht mehr nur heiraten, kündigen und ein Kinderzimmer einrichten.
    Gesellschaftspolitisch betrachtet, war der Mutterschaftsurlaub ein Fortschritt. Privat aber, das wurde Macho-Mama jetzt klar, als sie mit dem Kind an der Brust auf dem Boden saß, zementierte er das, was sie längst überwunden glaubte: die traditionelle Rollenverteilung. Besonders, wenn die Babypause, wie in Deutschland, Jahre dauert oder, wie in der Schweiz, auch im neuen Jahrtausend die Väter weiterhin außen vor lässt.
    Die Mutterschaft zerstörte eine Illusion, an der die Generation Golf im Kindesalter mit Playmobilfigürchen exzessiv gebaut hatte: die Illusion, dass das Geschlecht für eine Biographie endlich nebensächlich geworden sei. Die Plastikmenschen, die in den siebziger Jahren die Kinderzimmer dieser Welt eroberten, verkörperten selbst den Siegeszug der Emanzipation: Ob blond oder dunkel-, ob lang- oder kurzhaarig, ob in Rock oder mit Hose – die kleinen Fraumännchen waren austauschbar und für jede Rolle offen. Den kurzhaarigen lächelnden Männchen konnte man den Kinderwagen in die Hände drücken, die bezopften Frauen ans Steuerrad des Piratenschiffs stellen. Macho-Mama hatte diese Symbole der Gleichberechtigung verinnerlicht. Schließlich war sie selbst wie eine Playmobilfigur durchs Leben gekommen, ohne Einschränkung durch ihr Geschlecht. Bis zu dem Tag, als sie Mutter wurde.
    Es lohnt sich heute, ein gutes Jahrzehnt später, den Blick nochmals auf diese hedonistische und apolitische Generation zu richten, zu der die Macho-Mamas gehören. Einen weiblichen Blick. Und deshalb beginnt dieses Buch genau dort, wo die Beobachtungen von Florian Illies endeten: wo die Frauen dieser Generation ihr Golf Cabrio aus der Garage der Kleinfamilie fuhren und bemerkten, dass mit Kindern auf dem Rücksitz der Wind der Freiheit, der ihnen bisher um die Ohren pfiff, bei dem gedrosselten Tempo nur noch ein laues Lüftchen war.
Der Wind der Freiheit
    Es stimmt natürlich: Das Tempo hat jede Müttergeneration davor auch schon drosseln müssen. Schließlich ist Mutterschaft keine Lifestyle-Option, die man ausprobieren kann wie einen Yogakurs oder einen Auslandsaufenthalt und auch wieder ablegen, wenn man sich darin nicht gefällt. Aber die Frauen der Generation Golf waren die Ersten, die sich ganz selbstverständlich hinters Lenkrad des eigenen Lebens klemmten, die auch mal auf der Autobahn unterwegs waren und sich nicht mehr
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