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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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und sie betrat das Studio.
    Ihre Kollegin saß bereits in der Maske. Während des Schminkens legte sie sich gerade zurecht, worüber sie vor der Kamera sprechen würde, gleichzeitig dachte sie an ihre Kinder und an das Weihnachtsfest. Sie kalkulierte ungefähr die Zeit, die ihr blieb, um die wichtigsten Mails noch zu beantworten, für die Feiertage einzukaufen, den Baum zu schmücken, die Geschenke einzupacken und den Dessert vorzubereiten, für den sie dieses Jahr zuständig war.
    Ihre Gedanken wurden unterbrochen durch ihre Mitautorin, die jetzt zur Tür hereinsegelte, ein Mineralwasser auf der Ablage parkierte und sich auf den Stuhl neben ihr warf. Für einen Augenblick trafen sich die Blicke der Mamas im Spiegel. Jede sah im angespannten Gesicht der anderen ihre eigenen Gefühle: Nervosität, Erwartungsdruck. Aber es war auch noch etwas anderes da. Ein stilles Einverständnis, dass sie im selben Boot saßen und das Kind zusammen schon schaukeln würden.
    Das war ein Fortschritt. Vor einem Jahr noch hätten sie sich gegenseitig belauert oder wären gar nicht erst zusammen angetreten, weil jede das Risiko vermeiden wollte, schlechter abzuschneiden als die andere. Damals hatten sie erstmals realisiert, dass ihr Blog erfolgreich war. Zu Beginn war alles ein Spiel gewesen, das ihnen nie zuvor gekannte journalistische Freiheiten gab. Formal, weil der Blog als journalistisches Medium noch zu erfinden war, inhaltlich, weil sie die Themen selber setzten. Sie spornten sich gegenseitig an. Das Publikum applaudierte oder pfiff. Aber es war da und redete mit. Mit dem Erfolg stellte sich aber plötzlich die Frage: Wer hat ihn mehr verdient? Wer ist besser? Wer ist mächtiger?
     
    Mit der Emanzipation haben sich die weiblichen Möglichkeiten vervielfältigt – aber auch der Leistungsdruck hat sich erhöht. Die Frauen erwarten mehr vom Leben und auch mehr von sich selber. Sie wollen einen Beruf und darin Erfolg. Vielen fällt es jedoch schwer, sich den eigenen Willen zur Macht auch einzugestehen. Denn wo dieser Anspruch im Bereich der Familie sozial akzeptiert ist, geraten Frauen, die nicht nur häuslichen, sondern auch weltlichen Status anstreben, schnell in Kritik. Und wiederum sind es oft die Frauen selber, die den Ehrgeiz bei anderen Frauen am heftigsten missbilligen.
    Schon Winston Churchill behauptete, dass Frauen Schwierigkeiten haben, in der Machtfrage Politik und Gefühle auseinanderzuhalten. Tatsächlich fehlt den Frauen nicht nur die Übung, in offene Konkurrenz zueinander zu treten. Es widerspricht auch dem Bild von der Frau, die sich kümmert: um Babys, Kinder, Freunde und Freundinnen, um Teamgeist und Arbeitsklima. Dabei wird gern unterschlagen, dass Frauen auch das Geschlecht sind, das die Intrige zur Kunst erhoben hat. Diese «unglückliche Selbstbehauptung» (Søren Kierkegaard) durch Neid, misstrauisches Vergleichen und Kleinmachen entsteht aus mangelnder Abgrenzung sowie der Angst vor Liebesverlust: Jede Frau hat eine Bekannte, die talentierter, schöner oder mehr vom Glück begünstigt scheint, und kennt den Neid. Auch wenn sie es nicht zugibt. Nicht mal vor sich selbst.
    Frauen konkurrieren anders als Männer. Während Allianzen und Rivalitäten unter Männern in der Regel klar und auf ein bestimmtes Spielfeld beschränkt sind und ein strategisches Ziel haben, tragen Frauen ihre Statuskämpfe versteckt aus, ruhen dafür oft nicht eher, bis sie die Rivalin aus der Gruppe gedrängt haben. Psychologen sagen, das liege daran, dass weibliche Aggression kulturell verpönt ist. Diese Mechanismen spielen schon auf den Schulhöfen. Während die Jungs sich kurz prügeln und dann gemeinsam Fußball spielen, üben sich Mädchen in kleinen Grüppchen in der Kunst der Manipulation. Mädchen lernen früh, dass auch die beste Freundin plötzlich das Messer zücken kann. Dass besonders oft Frauen, die einander nahestehen, zu Gegnerinnen mutieren, führt die Autorin Naomi Wolf auf die unterschwellig spielenden Elemente von Identifikation und Anziehung zurück. Gerade Frauen, die sich gut verstehen, fällt es schwer, ein Konkurrenzverhältnis anzuerkennen, noch schwerer fällt es ihnen, damit umzugehen.
     
    «Wie zwischen Frauen Weiblichkeit Rivalität schafft, so bei den Männern der gleiche Beruf», schreibt Rolf Hochhuth in Zwischenspiel in Baden-Baden . Eine chauvinistische Perspektive, denn natürlich schafft der gleiche Beruf auch bei Frauen Konkurrenz. Gerade im Arbeitsleben besteht aber die Erwartungshaltung, Frauen
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