Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland

Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland

Titel: Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland
Autoren: Dan Shocker
Vom Netzwerk:
emporreichte.
    Die alten Folianten reihten sich dicht an dicht wie die Glieder
einer Kette.
    Der Geruch nach altem Leder und Moder war hier im Wohnzimmer
besonders intensiv.
    McCasey nahm dankend den angebotenen Platz an.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mister McCasey?
Ich kann es immer noch nicht fassen, daß Sie den Weg zu uns
gefunden haben. Sie sind der erste Besucher aus Blairgrownie, seit
wir hier sind.«
    Das war ein trauriges Kapitel. Es war den Fentlys nie gelungen,
hier heimisch zu werden. Sie wurden gemieden wie die Pest. Keiner
hatte eigentlich eine Erklärung dafür. Um so erstaunlicher
war es, daß dieses Paar in seinem hohen Alter das verkraftete
und einfach hierblieb, nicht wieder wegzog. Es war, als halte sie
irgend etwas hier in diesem Haus mit beinahe magnetischer Kraft
fest.
    McCasey hatte die Fentlys hin und wieder in seinem Laden gesehen.
Sie kauften nicht viel. Sie lebten sehr bescheiden, und er fragte
sich, wie ein Mensch von dem Wenigen, das die Fentlys einkaufte
überhaupt leben konnte.
    Noch ehe der Lebensmittelhändler etwas sagen konnte, nahm
Mrs. Fently aus einer Vitrine eine grüne Flasche ohne
Etikett.
    Das Behältnis war noch gut zur Hälfte voll.
    Mrs. Fently goß die dunkelbraune Flüssigkeit in ein
hohes, schmales Glas und schenkte auch sich einen kleinen Schluck
ein.
    Sie lächelte. »Damit Sie nicht allein trinken
müssen. Das wäre unhöflich. – Es ist kein Whisky
aus Ihrem Geschäft. Wir haben ihm selbst gebrannt. Nach einem
alten Rezept meines Mannes.«
    McCasey zog die Augenbrauen in die Höhe und schnupperte an
dem Glas. »Nicht übel«, meinte er.
    »Good Health«, sagte Mrs. Fently und hob ihr Glas in die
Höhe. »Ich hoffe, er schmeckt Ihnen.«
    Im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit nahm McCasey einen
kleinen Schluck. Der Whisky war strenger als die Marken, die er
verkonsumierte. Er meinte, den Moder und das Leder herauszuschmecken,
die denn Geruch hier im Wohnzimmer ausmachten. Ob die Flasche nicht
immer richtig verkorkt war, so daß der Whisky den Geruch der
Luft annehmen konnte?
    »Schmeckt ausgezeichnet«, bemerkte McCasey. Er nahm
einen großen Schluck. Da merkte er den penetranten Geschmack
schon nicht mehr so recht. Außerdem funktionierten seine
Geschmacksnerven in dem alkoholseligen Zustand, in dem er sich
befand, sowieso nicht mehr so recht. Jetzt kam es ihm nur noch auf
die Wirkung an. Und für die sorgte dieser hochprozentige
Tropfen.
    »Es ist die Erinnerung, Mrs. Fently«, sagte McCasey
unvermittelt. Er blickte sich in der Runde um und seufzte. »Es
hat mich mal gepackt… ein Gefühl von Romantik, von
Nostalgie. In diesem Haus lebte einst ein guter Freund von mir…
James Muligan… Sie können nicht wissen, wie eng wir
befreundet waren, wieviele Stunden meines Lebens ich hier –
gerade in diesem Raum – gemeinsam mit James verbracht habe. Er
war ein wunderbarer Mensch…«
    Sie blickte ihn an, neigte den Kopf ein wenig schief und meinte:
»Aber wenn das so ist – warum sind Sie dann nicht schon
längst mal hierhergekommen, Mister McCasey?«
    Er zuckte die Achseln. »Weiß nicht…«
    »Wir hätten uns gefreut, mein Mann und
ich…«
    Das fiel ihm auf. Sie sagte: »mein Mann«. Sie sagte
nicht »Fred« oder »Henry« oder
»Stan«… oder wie immer Mr. Fently heißen mochte.
Auch draußen vor der Tür stand nur der Name
»Fently«. In ganz Blairgrownie kannte niemand den Vornamen
des ältlichen Paares, wußte niemand etwas über seine
Vergangenheit und seine Herkunft – außer, daß es
eben aus der großen Nachbarschaft Perth kam.
    »Ich konnte nicht einfach so hereinschneien«, winkte
McCasey ab. »Aber heute – da war mir plötzlich alles
egal. Man hat manchmal so Momente. Und ich bin Ihnen dankbar,
daß Sie mich einfach so hereingelassen haben…«
    »Das ist doch selbstverständlich.«
    »Nein, das eben ist es nicht.«
    Donald McCasey fuhr sich über die Augen. »Man hat
manchmal so seltsame Stimmungen«, murmelte er. »Stellen Sie
sich vor, ich…« er unterbrach sich plötzlich und
schüttelte heftig den Kopf. »Nein, es ist wohl nicht
richtig, daß ich das sage.«
    »Was – sage, Mister McCasey?«
    »Ach, nichts. Ich würde mich nur lächerlich machen.
Ich habe – getrunken, Mrs. Fently. Da hat man Gefühle,
über die man sonst anders denkt. Und in einem solchen Zustand
sagt man dann auch Dinge, die man nüchtern eben nicht sagen
würde.«
    »Sie sind doch nicht betrunken, Mister McCasey!«
    Er lachte leise, griff in seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher