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Lustvolles Erwachen

Lustvolles Erwachen

Titel: Lustvolles Erwachen
Autoren: Eileen Dreyer
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Bilder der Arbeit des Chirurgen tauchten vor seinem inneren Auge auf: blutende, grobe Wunden, aus denen das Leben strömte; bleiche Leichen. »Er sitzt doch in Newgate ein.«
    Bertie schüttelte so heftig den Kopf, dass Schweißtropfen flogen. »Nicht mehr lange.«
    Instinktiv wollte Diccan widersprechen. Niemand kam aus dem Newgate-Gefängnis frei. Aber wenn die Löwen so gut organisiert waren, wie Bertie behauptete, war nichts unmöglich.
    »Also gut.« Dieses Mal kam Diccan auf die Füße, ohne bedroht zu werden. »Sie haben mein Wort, Bertie. Ich werde umgehend, ventre à terre, nach London reiten, um die Regierung ins Bild zu setzen. Wir werden die ganze Sache aufhalten, ehe Wellington auch nur annähernd in Gefahr gerät.«
    Der Junge lachte. »Seien Sie sich da nicht so sicher. Die werden nicht aufgeben. Sobald Sie einen von ihnen erwischen, nimmt ein anderer seinen Platz ein. Sie haben keine Ahnung, wie engagiert diese Leute sind. Und Sie ahnen nicht, wie gut positioniert die Löwen sind.«
    Wenn Diccan in dieser Sache nicht schon Nachforschungen angestellt hätte, dann hätte er Berties Beschuldigungen entschieden zurückgewiesen. Doch ein paar Verräter waren bereits enttarnt worden, und sie waren in der Tat gut organisiert gewesen.
    »Danke, Bertie«, sagte er und hoffte, dass der Junge merkte, wie ernst es ihm damit war. »Sie haben Ihrem Vaterland und mir große Dienste erwiesen. Falls Sie jemals Hilfe brauchen sollten, melden Sie sich bei mir.«
    Es schien, als hätte nur Berties Wille ihn aufrecht gehalten und als hätte Diccans Zugeständnis ihm diese Willenskraft nun geraubt. Der Junge sackte buchstäblich in sich zusammen. Tränen rannen über seine eingefallenen Wangen. Die Hand, mit der er die Waffe hielt, sank herab. Diccan spielte mit dem Gedanken, nach der Pistole zu greifen, aber er glaubte, dass Bertie sowieso keinen Grund mehr hatte, ihm wehzutun.
    »Danke«, sagte der Junge und strich sich mit der freien Hand über die Augen. »Sie sind sehr nett.«
    Diccan wusste, dass davon nicht die Rede sein konnte. Er nickte trotzdem und griff nach seinen Handschuhen. »Wenn Sie alles gesagt haben, werde ich gehen.«
    Bertie nickte. Er holte Luft. »Ich habe getan, was getan werden musste.«
    Diccan war noch immer damit beschäftigt, sich die Handschuhe überzustreifen, als er bemerkte, wie Bertie wieder die Pistole hob. Instinktiv sprang Diccan zur Seite, als ihm klar wurde, dass Bertie nicht vorhatte, ihn zu erschießen. Er wollte sich selbst erschießen.
    »Nein!«, schrie Diccan und wollte zu Bertie stürzen.
    Es war zu spät. Lächelnd, als wäre er erleichtert, richtete Bertie die Waffe gegen sich selbst. Diccan konnte nichts weiter tun, als den Jungen in den Armen zu halten, als er starb.

Kapitel 1
    Canterbury, England
Drei Tage später
    Grace Fairchild war verwirrt. Sie träumte. Sie wusste es. Doch der Traum ergab keinen Sinn. Oh, sie hatte schon solche Träume gehabt: vage, unruhige Träume von einem Mann, der mit ihr schlief. Aber für gewöhnlich waren ihre Träume verschwommen, eher Andeutung als Tatsache. Eher visuell als emotional. Nachdem sie ihr ganzes bisheriges Leben beim Militär verbracht hatte, wusste sie, wie es aussah, wenn ein Mann mit einer Frau schlief. In Indien hatte sie Darstellungen des Aktes gesehen – gemalt oder in die Mauern eines Tempels geritzt –, Bilder von Paaren, die sich eng umschlungen im Rausch der Gefühle wanden.
    Ihre Träume spiegelten diese Darstellungen wider. Sie sah, was passierte; sie spürte es nicht. Selbst wenn ihr Traumpartner sie nahm, war sie nur die Beobachterin, eine Voyeurin in ihrem eigenen Schlafgemach.
    Dieses Mal war jedoch alles anders. In diesem Traum konnte sie ihren Liebhaber spüren, der, dicht an ihren Rücken geschmiegt, hinter ihr lag. Haut an Haut, Hitze an Hitze, pochendes Herz an pochendem Herz. Sein frischer Duft drang ihr in die Nase. Sein Atem wehte durch ihr Haar. Er liebkoste ihren Hals und löste eine Welle von Schauern aus, die durch ihren Körper rieselte. Mit seinen rauen Fingern strich er sacht über jeden ihrer Rückenwirbel. Sie hätte schwören können, seine Haare an ihren Beinen und an ihrem Po zu spüren; und sie hörte ihren und seinen Atem.
    Sie erschauerte, bevor ein Ansturm von Empfindungen sie überrollte, die sie nie zuvor erlebt hatte: eine beinahe schmerzvolle Lust, Hitze wie unter der Sonne von Madras, Schauer, die durch ihren Körper zuckten wie Blitze. Ihre Haut schien Feuer gefangen zu haben,
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