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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Autoren: Karin Wahlberg
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schlucken. Dann räusperte sie sich und gab Daniels Nummer in ihr Handy ein.
    Sie hatte sich eine gute Entschuldigung einfallen lassen. Sie müsse schlafen, würde sie sagen, ob sie nicht morgen etwas Nettes zusammen unternehmen könnten? Es widerstrebte ihr, Daniel einen Korb zu geben. Sie hatte den Eindruck, dass er sich allmählich von ihr entfernte. Die Stimmung zwischen ihnen hatte sich verändert. Sie hatte Angst, ihn zu verlieren.
    Aber er hob nicht ab.
    Sie warf einen Blick in den Badezimmerspiegel und war entsetzt. Ihr Hals war von blauen und roten Flecken übersät, ihre Augen waren geschwollen, und die Wimperntusche war verlaufen. Sie holte ein Halstuch, mit dem sich das meiste verbergen ließ, und hielt ihr Gesicht unter kaltes Wasser. Nicht auszudenken, wenn Daniel jetzt mit seinem Schlüssel aufschloss und plötzlich in der Diele stand!
    Sie hatte natürlich von der tödlichen Dosis Insulin gehört. Auf der Station sprach sich alles rasend schnell herum.
    Sie wusste genau, was sie verschwinden lassen musste. Das hätte sie schon lange tun sollen. Das war ein vollkommen idiotischer Fehler, dachte sie und zog den untersten Korb heraus.
    Entsetzt starrte sie hinein. Kein gestreifter Kittel. Ihr wurde es eiskalt. Hatte sie ihn etwa woanders hingelegt?
    Sie riss alle anderen Körbe heraus und wühlte zwischen Slipeinlagen und Haarpflegeartikeln herum.
    Hatte sie ihn schon beseitigt? Sie hielt inne, runzelte die Stirn und dachte nach. War sie so verwirrt, dass sie sich nicht mehr erinnern konnte? Weil so viel passiert war?
    Nein. So konfus war sie nicht. Sie begann im Mülleimer, im Wäschekorb und in den Schubladen zu wühlen. Die ganze Wohnung stellte sie auf den Kopf, während die Angst ihr Herz wie eine eiskalte Hand umklammerte.
    Sie weinte. Sie wünschte sich ihr altes, einfacheres Leben zurück. Eben war es doch noch so schön gewesen. Zuckersüß und warm mit Daniel. Noch nie war sie so verliebt gewesen. Sie hatte richtig geliebt und sich nicht ausnutzen lassen.
    Plötzlich erstarrte sie. Konnte es Daniel gewesen sein?
    Hatte sie sich geirrt? War er gar kein Tröster? War er stattdessen ein Verräter?

20
    Es herrschte noch immer Schneematschwetter, und es war fast nicht möglich, Fahrrad zu fahren. Veronika nahm den Wagen zur Arbeit, während Claes sich dennoch aufs Fahrrad schwang.
    Während der morgendlichen Röntgenvisite an diesem Dienstag Anfang Januar sann sie darüber nach, wie viel ihr ihr Arbeitsplatz eigentlich bedeutete. Ein klein wenig sehnte sie sich weg. Träumte davon, irgendwo neu anzufangen, und eine gute Position in der Hierarchie zu ergattern.
    Es überraschte sie kaum, dass alles beim Alten war. Ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit hatte etwas Befreiendes. Niemand erwähnte die Anzeige, die bei der Beschwerdestelle eingereicht worden war. Als hätte man sie für die Dauer der Ermittlung beiseite geschoben und als sei es ohnehin nicht weiter wichtig. Vor allen Dingen nicht jetzt, wo andere Dinge ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt waren.
    Darüber wurde gescherzt.
    »Na?«, meinte ihr Chef. »Die Anzeige ist ja wohl hinfällig. Eine tödliche Dosis Insulin hast du ihr ja wohl kaum verschrieben!«
    Sie verzog den Mund.
    Ihr fiel auf, dass Daniel Skotte nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein schien. Ringe unter den Augen und zusammengepresste Lippen. Hatte er nicht kürzlich ganz frischverliebt gestrahlt?
    »Wie steht’s?«, fragte sie, als sie den Korridor entlang zur Station gingen.
    »Okay«, erwiderte er.
    Mehr wurde nicht gesagt. Aber sie behielt ihn im Auge, während sie mit dem Visitenwagen durch die Station gingen. Er sah aus wie damals, als seine Freundin Schluss gemacht hatte. Müde und deprimiert, in sich gekehrt.
    Am liebsten hätte sie ihm gegen das Schienbein getreten, um seine Reaktion zu beobachten, als sie aus den Augenwinkeln die süße Pflegehelferin Sara-Ida am Ende des Korridors bemerkte. Sie schien nichts zu tun zu haben und nur darauf zu warten, dass er sie erblickte.
    Irgendetwas war geschehen, aber ging sie das etwas an? Sara-Ida wirkte gleichermaßen übernächtigt wie Daniel, und als es Zeit für die Kaffeepause war, verschwand er.
    »Ich habe noch etwas zu erledigen. Ich bin dann wieder zurück, um meine Patienten zu entlassen«, sagte er und verschwand mit wehenden Kittelschößen Richtung Ausgang.
    Die beiden gingen sich ganz offensichtlich aus dem Weg, dachte Veronika und tauchte einen Teebeutel in heißes Wasser.
     
    Gegen zehn Uhr erhielt
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