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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten
Autoren: Arthur Ponsonby
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Abhandlungen und Flugblätter werden abgefaßt, denen die Namen deutscher Dichter, Schriftsteller oder Staatsmänner fälschlich angehängt werden oder die dem Anscheine nach in Deutschland gedruckt wurden, und die z. B. den Titel der Reclam-Serien tragen, während sie in Wirklichkeit aus der Northcliffe-Presse stammen, die Tag und Nacht für diesen Zweck arbeitet. Es ist Northcliffes Idee und sein Ziel, daß diese Fälschungen, so offensichtlich sie auch dem überlegenden sein mögen, im Geiste jener, die nicht nachdenken, einen, wenn auch nur augenblicklichen, Zweifel erwecken und ihr Vertrauen in ihre Führer, in ihre eigene Kraft und in die unerschöpflichen Hilfsmittel Deutschlands erschüttern sollen.
     
    Die Propaganda war anfangs auf den Triebsand der Legende von Deutschlands alleiniger Schuld gegründet; später geriet sie, infolge der Unfähigkeit unserer Staatsmänner, unsere Kriegsziele anzugeben, etwas in Verwirrung und zum Schlusse wurde sie durch die Beschreibung des herrlichen, gerechten und rechtschaffenen Friedens, der „auf dauernden Grundlagen ausgebaut sein wird“, gestärkt. Dieser erwies sich leider als die größte aller Falschheiten.
    Eine weitere Wirkung des beständigen Erscheinens falscher und einseitiger Nachrichten und des Einsaugens der Lügenatmosphäre besteht darin, daß Taten von echter Tapferkeit, Heldenhaftigkeit und körperlicher Ausdauer und wahre Fälle von unvermeidlichen Qualen und Leiden besudelt und entweiht werden; die wunderbare Kameradschaft aus dem Schlachtfelde wird beinahe geschändet. Lügenzungen können nicht von Taten der Aufopferung sprechen, um deren Schönheit oder Wert vor Augen zu führen. So kommt es, daß das von der Regierung und der Presse gespendete Lob immer das Gefühl verletzt, besonders wenn es, wie dies bei der letzteren gewöhnlich der Fall ist, mit wohlfeiler und gemeiner Gefühlsduselei vermengt ist. Deshalb wünscht man instinktiv, daß die wirklichen Helden unerkannt bleiben möchten, damit ihre Heldentaten nicht von zynischen Zungen und Federn, die mit der Lüge so vertraut sind, beschmutzt werden.
    Wenn der Krieg ein solches Ausmaß erreicht, daß die ganze Nation in ihn verwickelt wird, und wenn das Volk am Schlusse desselben entdeckt, daß es nichts gewonnen hat und ringsumher nur weitverbreitetes Elend erblickt, dann ist es geneigt, skeptischer zu werden, und es wünscht die Grundlagen der Argumente zu erforschen, mittels derer seine Vaterlandsliebe angefeuert, seine Leidenschaften entflammt und es zur Darbringung des höchsten Opfers bewogen wurde. Es will wissen, besonders wenn es aus dem Kampfe als Sieger hervorgegangen ist, warum keines von den Zielen, für die es angeblich kämpfte, erreicht worden ist. Es ist geneigt, mit Lord Fisher zu glauben, daß „Die Nation in den Krieg hineingenarrt wurde“ ( „London Magazine“, Januar 1920 ). Es fängt an, sich zu fragen, ob es nicht bei ihm liegt, den oft gehörten Ausspruch, daß es „ein Krieg war, um den Kriegen ein Ende zu machen“, zu verwirklichen.
    Es ist gut, wenn noch zu Lebzeiten der Generation, die den Krieg gekannt hat, hinsichtlich der bestbekannten Losungs- und Schlagworte und Mahnrufe, durch die sie so stark beeinflußt wurde, eine Aufklärung erfolgt. Diese Sammlung soll diesem Zwecke dienen. Es sind in ihr nur wenige Fälle dargelegt. Sich mit allen zu befassen, wäre unmöglich. In den Jahren von 1914 bis 1918 muß auf der Welt mehr planmäßig gelogen worden sein als je zu einem anderen Zeitabschnitt der Weltgeschichte.
    Die Lüge kann in mannigfacher Verkleidung auftreten. Da gibt es die wohlerwogene, amtliche Lüge, die erlassen wird, um entweder das eigene Volk zu täuschen oder den Feind irrezuführen; hiervon sind mehrere Beispiele angeführt. Wie ein Franzose sagte: „Tant que les peuples seront armés, les uns contre les autres, ils auront des hommes d’état menteurs, comme ils auront des canons et des mitrailleuses.“ („Solange die Völker gegeneinander bewaffnet sind, solange werden sie lügnerische Staatsmänner haben, geradeso, wie sie Kanonen und Maschinengewehre haben werden.“)
    Vom Kriegsamt wurde ein Rundschreiben ausgegeben, in dem die Offiziere aufgefordert wurden, über Kriegsvorfälle in bezug aus den Feind Bericht zu erstatten und das die Bemerkung enthielt, daß strenge Richtigkeit nicht wesentlich sei, solange eine Wahrscheinlichkeit bestehe.
    Dann gibt es die vorsätzliche, von einem erfinderischen Geiste zusammengebraute Lüge, die
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