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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
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Benzin im Kofferraum meines Corsas mit, man kann ja nie wissen. Wie aus weiter Ferne höre ich das Telefon klingeln und sehe Bruni erwartungsvoll an. Sie schüttelt den Kopf, als sie auf die Rufnummernkennung schaut und den Hörer abnimmt.
    »Geigers Jummy-Gum, Sekretariat, Brunhilde Keller, was kann ich für Sie tun?«
    Es interessiert mich herzlich wenig, mit wem Bruni telefoniert. Hoffnungsvoll schiele ich nach meinem Handy.
    Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, es ging ums Warten. Nehmen wir einmal das Beispiel Schwangerschaft . Seit meine Schwester Conny vor acht Jahren schwanger wurde, wusste ich definitiv, was es heißt zu warten. Conny ist drei Jahre älter als ich und war immer schlank wie eine Gerte, also das krasse Gegenteil von mir. An einem Sonntagnachmittag luden Conny und mein Schwager Anton uns ein, sie hätten eine Überraschung. Eine ganz besondere Überraschung, wie Anton sich auszudrücken pflegte.
    Mein Vater wiegte lachend seinen Kopf hin und her und schnalzte mehrfach mit der Zunge. »Na, was könnte das wohl sein?«, und zwickte meiner Mutter liebevoll in die Wange.
    Opa Heini überlegte einen Moment. »Ist doch klar, die hat einen Braten im Herd.«
    Meine Mutter entrüstete sich gespielt und musste lachen.
    »Vater, das drückt man aber sooo nicht aus.«
    Ich mischte mich ein. »Mama hat recht, Opa. Man sagt nicht Braten im Herd, sondern Braten in der Röhre.«
    Opa kicherte. »Egal, ob Herd oder Röhre, mit dem Braten liege ich jedenfalls richtig.«
    Gleichzeitig dachte ich, › Holzauge sei wachsam‹ , denn › Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste‹. Es könnte ja auch was ganz anderes sein, und ich hätte mich zu früh gefreut.
    Am Sonntag waren alle Verwandten in der Lindenallee 33 in Hamburg Sülldorf bei Familie Jörgensen versammelt. Außer meinen Eltern, Opa Heini und mir saßen noch Antons Eltern und sein Zwillingsbruder Alexander mit seiner Verlobten Felicitas an der reich gedeckten Kaffeetafel. Mit schier unglaublich guter Laune sog ich beim Sektempfang Antons freudige Nachricht auf, dass Conny z wei Braten in der Röhre hatte. Ich konnte mein Glück kaum fassen, Freudentränen schossen mir in die Augen. In wenigen Wochen würde Conny fetter sein als ich. Und Felicitas, die ungefähr meine Figur hatte, tat es mir gleich. Alle waren ganz gerührt über Felis und meinen Gefühlsausbruch. Im Geiste Schwestern prosteten wir uns unter Tränen, aber mit breitem Lächeln, zu.
    An diesem Nachmittag, das muss man sich mal vorstellen, verputzte Conny, die damals im ›normalen Leben‹ eine Kuchenhasserin war, zwei Stücke Schwarzwälder Kirschtorte und ein doppeltes Stück Schmandkuchen mit einem zusätzlichen Klecks Sahne darauf. Dazu schlürfte sie den Inhalt einer ganzen Warmhaltekanne Kakao. Natürlich den guten Belgischen.
    Meine Geduld wurde in den darauffolgenden Monaten wirklich auf eine harte Probe gestellt. Nach vier Wochen dachte ich, Conny und Anton hätten uns schlichtweg verarscht. Meine Schwester konnte unmöglich schwanger sein. Conny hatte sogar noch abgenommen! Allerdings musste man bedenken, dass sie mehr Stunden über der Kloschüssel hing, als sie mit Anton verbrachte. Erste sichtbare Erfolge stellten sich jedoch nach dem vierten Schwangerschaftsmonat ein. Conny ging auseinander wie ein Hefekuchen, das erste Mal, seit ich denken konnte, war meine Schwester fülliger als ich. Es lebe die Liebe! Wann immer ich ihr begegnete, kaute sie auf irgendetwas herum. Vorzugsweise gierte sie nach Kalorienbomben, wie Süßigkeiten in allen möglichen Variationen, und letztendlich hatte sie Gelüste auf hauchfein geschnittenen fetten Speck. Meine Schwester zwang mich förmlich dazu, mich um ihren wöchentlichen Speckvorrat zu kümmern, weil sie sich entsetzlich schämte, ein derartiges Produkt in diesen Mengen einzukaufen. Ich fand es gehörig dreist, dass Conny der Meinung war, niemand würde sich Gedanken machen, wenn ich dieses Zeug erwarb. Man sähe mir ja schließlich an, dass ich gerne aß. Hallo, geht’s noch? Und wenn Frau Ahlers, die Fleischfachverkäuferin, mich fragte, nachdem ich wie immer 300 g verlangte, ob es etwas mehr sein dürfe, bejahte ich das wohlwollend. Einmal ist mir beim Einkauf versehentlich herausgerutscht, dass der Speck nicht für mich, sondern für meine schwangere Schwester sei. Außerdem habe ich, ebenfalls in meiner Gedankenlosigkeit, ausgeplaudert, dass Conny sich wahnsinnig schämen würde, ihn selber einzukaufen. Frau Ahlers kannte Conny
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