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Luc - Fesseln der Vergangenheit

Luc - Fesseln der Vergangenheit

Titel: Luc - Fesseln der Vergangenheit
Autoren: Stefanie Ross
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Der Schütze strauchelte nur und wirbelte zu ihm herum. Der Gewehrkolben raste auf Lucs Gesicht zu. Im letzten Moment gelang ihm eine minimale Ausweichbewegung, statt zwischen Mund und Nase traf der Schlag ihn seitlich an der Schläfe. Ein rasender Schmerz durchfuhr ihn. Staub drang in Mund und Nase ein, als er zusammenbrach. Es war vorbei, sein Freund vermutlich tot, seine Männer lagen unter Dauerbeschuss. Er hatte der Schwärze, die ihn einhüllte, nichts mehr entgegenzusetzen und versank in tiefe Bewusstlosigkeit.
    Das ausgetrocknete Flussbett war das letzte Hindernis, das Jasmin überwinden musste. Leider war es auf den ersten Blick unüberwindlich, selbst für ihren Range Rover, der sie bisher nie im Stich gelassen hatte. Sie betrachtete das lockere Geröll, das früher eine Uferböschung gewesen war. Das würde interessant werden. Wenden konnte sie nicht und sie würde den steilen Berg niemals im Rückwärtsgang wieder hinaufkommen. Damit gab es zwei Alternativen: Entweder ihr Wagen blieb stecken und sie hatte ein ernsthaftes Problem oder es gelang ihr, die andere Seite zu erreichen.
    Sie stieg ein und gab Gas. Der Geländewagen rutschte und bockte auf dem Weg nach unten. Am Ende der Böschung angekommen, knallten die Vorderräder dermaßen stark auf das steinharte Flussbett, dass ihr fast das Lenkrad aus der Hand gerissen wurde. Den Blick fest auf das andere Ufer gerichtet, beschleunigte sie, bis sie bei den Stößen beinahe mit dem Kopf ans Dach stieß. Dann gruben sich die Reifen in das Geröll, fanden Halt und verloren ihn sofort wieder. Sie weigerte sich, vom Gas zu gehen, wenn überhaupt, würde der Schwung sie in die Höhe tragen. Obwohl der Wagen sich bedrohlich zur Seite neigte, schaffte sie es.
    Schlingernd brachte sie ihren Range Rover zum Stehen und ließ vor Erleichterung den Kopf aufs Lenkrad sinken. Das war mehr als knapp gewesen und dennoch hatte sie jeden einzelnen Augenblick genossen. Verrückt, aber letztlich nicht verrückter als ihr Leben in den letzten drei Jahren. Welche Frau würde sich schon freiwillig alleine in diese Bergregion wagen, die von verschiedenen afghanischen Familien beherrscht wurde? Jede Annehmlichkeit der Zivilisation war meilenweit entfernt, und wenn sie mit ihrem Range Rover liegen blieb, gab es keinen örtlichen Automobilclub, der ihr zu Hilfe eilte.
    Aber nur ihre Reisen zu dem abgelegenen Dorf, wobei die Bezeichnung ›Dorf‹ mehr als geschmeichelt war, gaben ihr das Gefühl zu leben. Die Risiken nahm sie gerne in Kauf, genauso, wie sie ihren Tod begrüßt hätte. Aber noch war es nicht so weit, noch hatte sie die Gelegenheit, ihre Schuld zumindest ansatzweise zu tilgen, indem sie die medizinische Versorgung der Dorfbewohner übernahm. Kein Arzt, geschweige denn eine Ärztin, war bereit, die beschwerlichen Reisen auf sich zu nehmen. Sie schon, und es half ihr zumindest ein wenig, die Bilder der Menschen, für deren Tod sie die Verantwortung trug, aus dem Kopf zu bekommen. Doch fast jede Nacht, wenn sie zu schlafen versuchte, waren sie wieder da, die Schreie der Kinder und der Frauen und die anklagenden Blicke der Männer.
    Tief durchatmend stieg sie aus und kontrollierte die Reifen und die Achsen. Soweit sie erkennen konnte, hatte ihr Wagen den Teufelsritt ohne Schäden überstanden. Nichts stand ihrer Weiterfahrt im Wege, und wenn alles glattging, würde sie ihr Ziel weit vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.
    Eine Stunde später mündete der kaum erkennbare Pfad in eine gut befahrbare Piste. Jasmin hielt und stieg mit ihrem Gewehr in der Hand aus. Die kurze Reflexion auf der anderen Seite des Berghanges konnte harmlose Ursachen haben, aber ihr Instinkt sagte etwas anderes. Nachdem das Geräusch des Motors verstummt war, umgab sie eine eigentümliche Stille. Sie liebte diese Augenblicke, alleine in der Bergwelt, wenn weit und breit kein menschliches Lebewesen in ihrer Nähe war. Ein schrilles Kreischen über ihr brachte sie zum Lächeln. Sie schirmte die Augen gegen die Sonne ab und suchte den Himmel ab, dann hatte sie den Raubvogel entdeckt. Nichts kam der Eleganz des Adlers gleich, mit der er durch die Luft schwebte und dabei den Boden nach einer lohnenden Beute absuchte. Sie ignorierte die Warnung ihres Unterbewusstseins, die sie zum Halten gebracht hatte, und verfolgte die Jagd des Adlers. Als er herabstieß und es aussah, als ob er mit dem Boden kollidieren würde, hielt sie den Atem an. Aber nach einem abenteuerlichen Flugmanöver schraubte er sich mit
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