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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Zufriedenheit der Frau Hofrätin …«
    »Aber ja doch, mein Lieber. Wir sind einfache Leute und unverwöhnt. Habt Dank, guter Mann«, sagte sie zu dem Hausknecht, der seine Last auf den Gurtbock, den Estrich abgesetzt hatte und sich entfernte. »Und Dank auch Ihnen, mein Freund«, wandte sie sich mit entlassendem Kopfnicken an den Kellner. »Wir sind versorgt und versehen und möchten uns nun wohl ein wenig …«
    Aber Mager stand unbeweglich, die Finger in einander geschlungen, die rötlichen Augen in die Züge der alten Dame versenkt.
    »Großer Gott«, sagte er, »Frau Hofrätin, welch buchenswertes Ereignis! Frau Hofrätin verstehen vielleicht nicht ganz die Empfindungen eines Menschen von Herz, dem unverhofft und wider alles Vermuten ein solches Evenement mit seinen ergreifenden Perspektiven … Frau Hofrätin sind sozusagen gewöhnt an die Verhältnisse und an Dero uns allen heilige Identität, Dieselben nehmen die Sache möglicherweise leger und alltäglich und ermessen nicht ganz, wie es einer fühlenden, von jungauf literärischen Seele, die sich dessen nicht im geringsten versah, zu Mute sein muß bei der Bekanntschaft – wenn ich so sagen darf – ich bitte um Entschuldigung – bei der Begegnung mit einer vom Schimmer der Poesie umflossenen und gleichsam auf feurigen Armen zum Himmel ewigen Ruhmes emporgetragenen Persönlichkeit …«
    »Mein guter Freund!«, erwiderte die Hofrätin mit lächelnder Abwehr, obgleich man das nickende Zittern ihres Kopfes, das bei den Worten des Kellners wieder auffallend geworden war, {19} als Zustimmung hätte deuten können. (Die Zofe stand hinter ihr und sah dem Manne mit amüsierter Neugier in das fast zu Thränen bewegte Gesicht, während die Tochter sich mit ostensibler Gleichgültigkeit im tieferen Zimmer mit dem Gepäck zu schaffen machte.) »Mein guter Freund, ich bin eine einfache alte Frau ohne Ansprüche, ein Mensch wie andere mehr; Sie aber haben eine so ungemeine, gehobene Art sich auszudrükken …«
    »Mein Name ist Mager«, sagte der Kellner gleichsam zur Erläuterung. Er sagte »Mahcher« nach seiner mitteldeutsch weichen Sprechweise; der Laut hatte etwas Bittendes und Rührendes. »Ich bin, wenn es nicht überheblich klingt, das Faktotum in diesem Hause, die rechte Hand, wie man es zu nennen pflegt, Frau Elmenreichs, der Besitzerin des Gasthofs, – sie ist Witwe, schon seit zehn Jahren, Herr Elmenreich ist ja leider anno sechs unter tragischen Umständen, die nicht hierher gehören, dem Weltgeschehen zum Opfer gefallen. In meiner Stellung, Frau Hofrätin, und nun gar in Zeiten, wie unsere Stadt sie durchlebt hat, kommt man mit vielerlei Menschen in Berührung, es zieht manche bedeutende Erscheinung, bedeutend durch Geburt oder Verdienst, an einem vorüber, und eine gewisse Abgebrühtheit, natürlicherweise, greift Platz gegen die Berührung mit hochgestellten, ins Weltgeschehen verflochtenen Personen und Trägern respekteinflößender, die Einbildungskraft aufregender Namen. So ist es, Frau Hofrätin. Allein, diese berufliche Verwöhntheit und Abgestumpftheit, – wo ist sie nun! In meinem Leben nicht, das darf ich bekennen, hat ein Empfang und eine Bedienung mir obgelegen, die mir Herz und Geist bewegt hätte wie die heutige, wahrhaft buchenswerte. Denn wie es dem Menschen ergeht, – es war mir bekannt, daß das verehrungswürdige Frauenzimmer, das Urbild jener ewig lieblichen Gestalt, unter den Lebenden verweilte und zwar in der Stadt Hannover, – ich werde jetzt wohl gewahr, daß ich es {20} wußte. Allein dies Wissen hatte keine Wirklichkeit für mich, und nie habe ich mir die Möglichkeit beikommen lassen, diesem geheiligten Wesen irgend einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Ich habe es mir einfach nicht träumen lassen. Als ich diesen Morgen – es ist wenige Stunden her – erwachte, war ich überzeugt, daß es sich um einen Tag handle wie hundert andere, einen Tag durchschnittlichen Gepräges, angefüllt mit den gewöhnlichen und geläufigen Funktionen meines Berufes im Flur und bei Tafel. Meine Frau – ich bin verheiratet, Frau Hofrätin, Madame Mager ist in obgeordneter Stellung in der Küche tätig – meine Frau wird bekunden können, daß ich kein Zeichen einer Vorahnung von irgend etwas Außerordentlichem gegeben habe. Ich dachte nicht anders, als daß ich mich heute Abend als derselbe Mann wieder zu Bette legen würde, als der ich aufgestanden. Und nun! ›Unverhofft – kommt oft‹. Wie recht hat
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