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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition)
Autoren: Lost Place Vienna
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Stress ihm
bereits zwei Infarkte verpasst hatte. Mit achtundfünfzig konnte er noch nicht
in den Ruhestand; die sechzig wollte er wenigstens noch vollmachen, dann würde
ihm die monatliche Pension reichen. Außerdem war Valentina noch zu jung, um
sich allein im Wiener Polizeiapparat durchzuschlagen. Überall lauerten Vipern,
die nur darauf warteten, dass Valentina Fleischhacker strauchelte. Und dann
würden sie zuschnappen, die Neider und verängstigten Karrieristen, die ihren
Aufstieg mehr der brillanten Netzwerkarbeit denn den kriminalistischen
Leistungen zu verdanken hatten. Valentina dagegen war nur durch ihre
herausragende Leistung so rasch zur Inspektorin der Sondereinheit
Gewaltverbrechen emporgestiegen. Sie hatte es nicht nötig gehabt, Beziehungen
oder ihre weiblichen Reize spielen zu lassen, auch wenn viele ihrer männlichen
Kollegen hinter vorgehaltener Hand das als Argument für Valentinas
Blitzkarriere anbrachten.
    Zirner sah sich den Frauenkopf genauer an. Er ähnelte den anderen
beiden Köpfen. Als wären es Schwestern. Mindestens aber der gleiche Typ. Es konnte
aber auch an der Schminke liegen. Vielleicht war es auch nur der südländische
Einschlag. Zirner war es manchmal peinlich, aber er konnte viele
Migrantengesichter nicht voneinander unterscheiden. Vor allem in den
Gemeindebauten wimmelte es von Jugendlichen, die für ihn alle gleich aussahen.
Sie trugen die gleiche Kleidung, schminkten sich identisch, sogar die
Tätowierungen und die Piercings, mit denen sie sich individuell gestalten
wollten, brachten nur Uniform hervor. Ob das mit gelungener Integration gemeint
war?
    »Kann ich ihn mitnehmen?«, fragte der Spurensicherer ungeduldig und
blickte auf seine Uhr. »Zu Mittag wär i gern bei den Schinkenfleckerl.« Er
leckte sich über seine wulstigen Lippen, während er gleichzeitig mit der linken
Hand seine hungrige Wampe tätschelte.
    »Nein. Wir warten, bis Frau Fleischhacker den Kopf gesehen hat. Es
ist ihr Fall«, antwortete Zirner bestimmt und hoffte, damit das Thema erledigt
zu haben.
    »Was sieht sie, was wir nicht sehen? Das meiste wird heute sowieso
bei uns in der Biologie erledigt. Der Psychokram wird doch völlig überschätzt«,
sagte der Spurensicherer.
    Seine Angeberei war genau der falsche Weg, um Zirner umzustimmen. Er
hasste die Hybris der Forensiker, die Reduktion eines Mordfalls auf DNA - und C 15-Analysen. Er
war angetreten, um die Psyche des Menschen zu ergründen, und nicht, um sich von
eiweißhaltigen Molekularketten schikanieren zu lassen. Diese Reagenzglasaffen
spielten sich auf, als wäre die Schöpfung des ersten Menschen ein Kinderspiel
gewesen; und er war sich sicher, dass sie es auch sein würden, die garantiert
den letzten Menschen erschufen. Aber solange er noch im Dienst war, kämpfte er
darum, dass Täter, auch wenn manche davon Bestien waren, nicht nur DNA , sondern auch eine Seele hatten.
    »Wir warten«, wiederholte Zirner ruhig und lächelte den
Spurensicherer dabei kalt an. Der nuschelte einen Fluch in sich hinein und
trottete vor die Tür. Draußen würde er seinem Unmut bei den Kollegen Luft
machen, das war gewiss. Zirner wusste aber auch, dass der Groll des
Spurensicherer sich nicht gegen ihn richten würde, sondern gegen Valentina,
weil man auf die Gnädigste zu warten hatte.
    * * *
    Sie wusste, dass die Kollegen die Nase rümpften, weil sie auf
den Dienstwagen verzichtete und alle Strecken innerhalb der Stadt mit ihrem
Mountainbike zurücklegte. Oftmals war sie damit sogar schneller als die
Polizeiautos mit Sirene, und das fuchste die Lästerer.
    Valentina liebte ihr altes Brodie, das vor Jahren auf der Wache als
gestohlen gemeldet worden war. Da hatte sie noch Dienst in Favoriten geschoben.
Sie selbst hatte es anschließend bei zwei kleinen Dieben gefunden, als die es
eben mit kackbrauner Farbe unkenntlich machten. Der ursprüngliche Besitzer
hatte das Rad daraufhin nicht mehr haben wollen, hatte er sich dieses edle Teil
doch in einem schneidigen Metallicblau gekauft. So war es auf der Wache
zurückgeblieben. Seither fuhr es Valentina. Anfangs hatte sie daran gedacht,
die beschissene Farbe runterzukratzen und den Rahmen sandstrahlen und neu
lackieren zu lassen. Aber dann hatte sie sich doch dagegen entschieden. So
würde es ihr niemand stehlen. Und je länger sie es fuhr, desto mehr gewöhnte
sie sich nicht nur an das Kackbraun, sie freute sich sogar daran. Sie fand,
dass das Rad zu ihr passte. Alle lachten darüber, unterschätzten es, aber
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