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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies
Autoren: Terry Pratchett
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gehörte ihm natürlich; sie wurde von Generation zu Generation vererbt. Aber sie bestand aus mehr als nur Ziegeln, Mörtel und Eisen. In diesem Punkt war sich Jason ziemlich sicher, obgleich er die Frage, woraus sie noch bestünde, nicht beantworten konnte. Es betraf den Unterschied zwischen einem Meisterschmied und jemandem, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdiente, Eisen zu verbiegen. Es ging darum, immer ausgezeichnete Arbeit zu leisten. Dafür galt es, einen Preis zu entrichten.
    Eines Tages hatte ihn sein Vater beiseite genommen und erklärt, was er in Nächten wie dieser beachten mußte.
    Irgendwann einmal, sagte Vater Ogg, kommt jemand, um sein Pferd beschlagen zu lassen. Es ist kein gewöhnlicher Kunde, und das weißt du sofort; braucht dir niemand extra zu sagen. Empfang ihn freundlich. Beschlage das Pferd. Und konzentrier dich auf die Arbeit. Denk an nichts anderes als nur an Hufeisen.
    Inzwischen hatte sich Jason daran gewöhnt.
    Der Wind wurde noch etwas stärker, und irgendwo knarrte ein knickender Baum.
    Die Tür erzitterte in den Angeln.
    Dann klopfte es. Einmal. Zweimal.
    Jason Ogg griff nach der Augenbinde und streifte sie über. Ihr kam große Bedeutung zu, hatte sein Vater betont. Sie verhinderte Ablenkungen.
    Dann öffnete er die Tür.
    »Guten Abend, Herr«, sagte er.
    EINE UNRUHIGE NACHT.
    Jason roch das Pferd, als es hereinkam. Hufe klackten auf Steinen.
    »Ich habe Tee aufgesetzt«, meinte der Schmied. »Und unsere Dreen hat Kekse gebracht. Sind in der Dose, auf der ›Geschänk aus Ankh-Morpork‹ steht.«
    DANKE. ES GEHT DIR GUT, NEHME ICH AN.
    »Ja, Herr. Die Hufeisen sind bereits vorbereitet. Du brauchst nicht lange zu warten. Ich weiß, daß du sehr… beschäftigt bist.«
    Jason vernahm klickende Schritte in Richtung des alten Küchenstuhls, der für Kunden reserviert war – beziehungsweise für die Eigentümer der Kunden.
    Auf der Werkbank neben dem Amboß lagen Werkzeuge, Hufeisen und Nägel bereit. Der Schmied wischte sich die Hände an der Schürze ab, griff nach einer Feile und machte sich ans Werk. Es gefiel ihm nicht sonderlich, mit Augenbinde zu arbeiten, aber wie dem auch sei: Seit seinem zehnten Lebensjahr beschlug er Pferde; der Tastsinn genügte ihm völlig.
    Er nahm eine Raspel, feilte und bohrte damit.
    Nie zuvor hatte er es mit einem gehorsameren Pferd zu tun bekommen. Wirklich schade, daß er es nicht sehen durfte. Es mußte ein prächtiges Roß sein…
    Versuch nicht, einen heimlichen Blick darauf zu werfen – so lauteten die warnenden Worte seines Vaters.
    Er hörte ein von der Teekanne stammendes Gluckern, gefolgt vom leisen Klimpern eines Löffels, den jemand zum Umrühren benutzte und wenige Sekunden später beiseite legte.
    Andere Geräusche hörte er nicht. Aber darauf hatte Jasons Vater hingewiesen: Man hörte ihn nur, wenn er ging und sprach. Sonst nicht. Er leckte sich nie die Lippen.
    Und er schien auch nicht zu atmen.
    Der Schmied entsann sich an einen weiteren Rat. Wenn du die alten Hufeisen abnimmst… Wirf sie nicht in die Ecke, um sie zusammen mit dem übrigen Kram einzuschmelzen. Bewahr sie an einem anderen Ort auf. Und schmelz sie getrennt. In einem Kessel, den du nur für diesen Zweck benutzt. Stell die neuen Hufeisen aus diesem Metall her. Was auch immer geschehen mag: Statte nie ein anderes lebendes Wesen mit jenem Eisen aus.
    Jason hatte einige der alten Hufeisen beiseite gelegt, um sie bei Wurfwettbewerben zu benutzen. Damit verlor er nie. Er gewann so oft, daß er nervös wurde, und jetzt hingen sie die meiste Zeit über an einem Nagel hinter der Tür.
    Manchmal versuchte der Wind, das Fenster aufzudrücken. Oder wagte sich im Schornstein überm Schmiedefeuer so weit vor, daß die glühenden Kohlen knisterten. Mehrmaliges dumpfes Pochen und aufgeregtes Gackern deuteten darauf hin, daß der Hühnerstall am Ende des Gartens gerade Fliegen lernte.
    Der Besitzer des Kunden genehmigte sich noch eine Tasse Tee.
    Jason beendete die Arbeit an dem Huf, ließ ihn los und streckte die Hand aus. Das Pferd schob sich ein wenig zur Seite und hob den letzten Huf.
    Ein solches Roß verdiente die Bezeichnung »einzigartig«.
    Schließlich war der Schmied fertig. Seltsam. Es schien nie sehr lange zu dauern. Mit Uhren konnte Jason nichts anfangen, aber er gewann folgenden Eindruck: Die Arbeit nahm fast eine Stunde in Anspruch, und gleichzeitig dauerte sie nur wenige Minuten.
    »Das hätten wir«, sagte er.
    DANKE. DIESE KEKSE SCHMECKEN SEHR GUT. WIE KOMMT
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