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London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out

London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out

Titel: London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
Autoren: Oliver Harris
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von einem Säufer betrieben, der die Finger nicht von seinen eigenen Beständen lassen konnte. Die Wände zierten schlechte Kopien von Renaissance-Meisterwerken, und die Waschbecken in der Toilette waren gewöhnlich blutverschmiert.
    »Um wie viel Uhr war ich im Lorenzo’s?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Hatte ich da noch mein Handy?«
    »Du hast Gott und die Welt angerufen. Du hast jedem erzählt, dass er sofort herkommen soll, du hättest Geburtstag.«
    Belsey öffnete die Augen wieder. Oakley lächelte und schüttelte den Kopf. Er schnippte seine Zigarette auf die Straße, tätschelte Belsey den Arm und ging wieder hinein.
    Belsey rauchte seine Zigarette fertig und ging dann wieder zum Wagen. Bruchstückhaft kam die Erinnerung zurück: Ihm fiel jetzt ein, dass er sehr früh am Morgen im Lorenzo’s gewesen war. Er hatte versucht, dem Besitzer seine Jacke zu verkaufen. Er hatte versucht, irgendwem in der Bar zu erklären, dass sein Fremdmittelanteil zu hoch war, was alle rasend lustig gefunden hatten. »Fremdmittelanteil«, riefen sie immer wieder. Sie mussten schreien, um die Musik zu übertönen.
    »Ich mache jetzt spirituelle Exerzitien.«
    Belsey hatte in einem Bioladen einen Prospekt mitgenommen: Ängstlich? Verunsichert? Wir sind eine religionsübergreifende Gemeinschaft und unterhalten ein Zentrum für spirituelle Exerzitien in Worcestershire. Darunter die Zeichnung von einem erleuchteten Mann im Schneidersitz, von dessen Körper helle Strahlen ausgingen. Gewinne deine kindlich unbeschwerte Seele zurück. Gewinne deinen inneren Frieden zurück.
    »Du machst also einen Entzug?«
    »Nein, keinen Entzug, Exerzitien! Spirituelle Exzerzitien«, sagte Belsey.
    »Und was gibt’s da zu trinken?«
    Er erinnerte sich, dass er irgendwann in der Nacht mit einem Mann in einem Auto gesessen hatte, der behauptete, für das Außenministerium zu arbeiten, und dass dieser Mann Einstichnarben auf den Handrücken gehabt hatte. Plötzlich wusste er, wie alles angefangen hatte. Er hatte im Foyer eines Bed & Breakfast in Kings Cross gestanden, neben sich zwei Müllsäcke mit seiner gesamten Habe. Gerade war die letzte seiner Kreditkarten gesperrt worden.
    Er hatte gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde, war aber dennoch erstaunt, als es dann tatsächlich passierte. Vor zwei Wochen hatte man in einem Laden zum ersten Mal eine seiner Karten nicht akzeptiert. Am Anfang hatte er noch routinemäßig Callcenter angerufen und mit höflichen jungen Männern in Mumbai und Bangalore geplaudert. Er hatte in Pubs Zahlen auf Servietten gekritzelt, als sei es jetzt an der Zeit für eine exakte Kalkulation. Das Ego ist des Spielers größter Feind. Immer wieder ging ihm dieser Satz aus einem Buch durch den Kopf. Was hatte er getan? Er war schlau genug gewesen, die Schulden zirkulieren zu lassen, aber nicht schlau genug, seinen Lebensstil zu opfern, um die Schulden auch abzahlen zu können. Er war zu mutig gewesen, das war die simple Wahrheit: dumm mit einer Zuversicht jenseits aller Vernunft. Seine Zockerkumpels würden sagen, er habe on tilt gespielt, er habe die Kontrolle verloren und sei geradewegs auf den Abgrund zugerast. War es das, was er getan hatte? Hatte er durch die Talsohle hindurch aus seinen Schulden herauskommen wollen?
    Die letzten Tage seiner Kreditwürdigkeit waren die wildesten gewesen. Er hatte Fremden Geschenke gemacht, hatte Wohltätigkeitsorganisationen Geld gespendet, hatte ein paar letzte waghalsige, euphorische Wetten auf zukünftige Re gen tage und Wahlergebnisse in zentralasiatischen Republiken getätigt. Damals glaubte er einen Punkt höherer Einsicht erreicht zu haben, der sich jetzt als eine Art Unterkühlung herausstellte. Das merkte er, als die schmerzhafte Erkältung in fiebrige Apathie überging. Er machte ein paar Tage die Augen zu, und als er sie wieder aufmachte und auf seine Finanzen blickte, hatten sie schon angefangen, sich selbst aufzufressen. Sein Gehalt deckte nicht mal mehr seine Zinsbelastung ab, ganz zu schweigen davon, dass es für so triviale Dinge wie die Miete reichte.
    Der Hotelbesitzer sagte, es tue ihm leid, als er Belsey vor die Tür setzte. Ihm bleibe keine Wahl, ein kleines Hotel wie das seine könne sich das einfach nicht leisten. In Belseys Zimmer war schon eine Familie eingezogen, hagere Leute mit nervösem Blick, denen Belsey die Tüten mit seinen Habseligkeiten überließ. Er schaffte es einfach nicht, sie mitzunehmen. Mit ihm landete auch ein junger Afghane mit
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