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Loge der Lust

Loge der Lust

Titel: Loge der Lust
Autoren: Henke Sandra
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hochgespritzt war und auch auf ihren weißen Ballerinas Flecken hinterlassen hatte. Teena wischte sich einige rote Haarsträhnen aus dem Gesicht und fischte einen braunen Cardigan aus dem Koffer. In diesem Moment war ihr egal, dass er farblich nicht zu ihrem Outfit passte. Hätte sie doch nur Jeans und T-Shirt getragen wie immer! Dann wäre sie jetzt nicht in solch einer peinlichen Situation.
    Die Dame an der Anmeldung trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte.
    Hastig schloss Teena den Koffer, richtete sich auf und streifte die Strickjacke über. Jetzt fühlte sie sich schon ein wenig besser.
    Die Flucht nach vorne war meist der richtige Weg, mit einer peinlichen Situation umzugehen. Daher drehte sie sich schwungvoll um und ging zu dem Schreibtisch hinüber, den man offenbar zur Empfangstheke umfunktioniert hatte. Die Anmeldung befand sich in einer größeren Nische des Gangs, die wohl ursprünglich für die Garderobe gedacht war. Rechts und links standen graue Aktenschränke und an der hinteren Wand ein zweiter Schreibtisch mit zwei Rollcontainern darunter. Dann entdeckte Teena einen Computer. Es war zwar ein altes Modell, aber dennoch so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Eine dicke Staubschicht lag auf dem Gehäuse, und neben dem Bildschirm klebten zahlreiche gelbe Post-its mit Notizen.
    Sie streckte der Empfangssekretärin die Hand entgegen. „Christeena McLight.“
    „Haben Sie einen Termin?“, fragte diese und legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander.
    Peinlich berührt, ließ Teena den Arm sinken. „Ja, aber erst morgen“, antwortete sie und war verwundert, dass ihr Name der Frau nichts sagte.
    „Dann kommen Sie morgen wieder.“ Die ältere Blondine lächelte spöttisch und musterte den nassen Seidenrock, der an Teenas Spalte klebte.
    Teena zog den Rocksaum straff und bemerkte dabei ein Namensschild: „Miss Monica Stew“. Eigentlich war es ein Computerausdruck, der in einer durchsichtigen Schutzhülle steckte. Jemand hatte ihn mit Tesafilm neben der Klingel auf den Schreibtisch geklebt.
    Das ist ja noch fachmännischer als die Messingbuchstaben über dem Eingang, dachte sie sarkastisch, bemühte sich jedoch, freundlich zu bleiben. „Ich bin die neue Kollegin aus London.“
    Monica hob die Augenbrauen. „Ach, ja? Davon weiß ich nichts.“
    Teena ließ betrübt die Schultern hängen. Welch ein toller Start in ein neues Leben! Sie hatte ja nicht unbedingt damit gerechnet, dass das hiesige Polizei-Orchester, falls es denn eines gab, sie mit einem Konzert willkommen heißen würde. Aber dass nicht einmal ihr Arbeitsbeginn bekannt war, nagte an ihr. Sie war niedergeschlagen. Die endlosen Diskussionen mit ihren Eltern kurz vor der Abreise, die lange Fahrt quer durch England und die Angst vor dem Unbekannten, das sie erwartete, hatten ihre Euphorie gedämpft, und nun das.
    „Wie war noch gleich Ihr Name?“, fragte Monica und nahm Bleistift und Papier zur Hand.
    „Christeena McLight“, entgegnete sie und fügte eilig hinzu: „Christeena mit zwei ‚e'.“
    Die Empfangsdame musterte sie kritisch. Nachdem sie den Namen notiert hatte, nahm sie den Telefonhörer auf und drückte eine Schnellwahltaste.
    Teena hörte, wie sich eine Männerstimme meldete.
    „Eine Miss Christeena McLight steht vor mir, Christeena mit Doppel-'e'“, näselte Monica in den Hörer und schob mit dem Bleistift ihre Brille ein Stück höher. „Sie sagt, sie wäre die neue Kollegin aus der Hauptstadt.“ Das letzte Wort betonte sie ironisch.
    Der Sarkasmus in Monicas Stimme war unüberhörbar. Teena biss die Zähne zusammen. Zugegeben, sie war unpassend gekleidet und recht ungeschickt in das Polizeirevier gepoltert. Aber sie hatte doch eine Chance verdient!
    Was hatte diese Lady nur gegen sie? Lag es am Altersunterschied? Teena schätzte sie auf Ende vierzig. Waren sie einfach nicht vom gleichen Schlag? Im Gegensatz zu Teena hatte Monica ihr Gesicht kräftig mit dem Schminkpinsel bearbeitet. Auf ihrer Haut glänzte eine dicke Schicht Make-up. Sie trug türkisfarbenen Lidschatten und einen schwarzen Lidstrich, wie es in den siebziger Jahren modern gewesen war. Der perlmuttfarbene Lippenstift rundete das altmodische Bild ab. Anstelle der Augenbrauen hatte Monica schwarze Rundbögen, die mit einem Kajal aufgemalt waren. Sie schien sich mit dem Schminken ebenso wenig zurückzuhalten wie mit ihrem Sarkasmus und sah aus, als wäre sie in einen Farbtopf gefallen. Aber verurteilte Teena sie deswegen? Nein! Leider
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