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Löwe gut - alles gut

Löwe gut - alles gut

Titel: Löwe gut - alles gut
Autoren: Max Kruse
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einem Stück schweren Wollstoffes so wunderbare Fähigkeiten innewohnten und daß man ihm nichts, aber auch gar nichts davon ansah! Nun, es hatte sich ja niemals das geringste aus der Fliegekunst des Teppichs gemacht. Wie schön wäre es, wenn er sich in einen ganz normalen Teppich verwandeln würde, den es betreten konnte, ohne in schwindelnde Höhen entführt zu werden. Nichts, aber auch gar nichts sagte dem Kamel, daß es sich nur zu bald nach den wunderbaren Fähigkeiten des Teppichs verzehren würde. So ist es nun einmal.
    Es schnaufte und rief: »He — holla!« und alsbald schafften emsige Diener den Teppich unter Leitung des Haushofmeisters in den Wirtschaftshof des Palastes, wo er über die Stange gelegt und zwei Stunden lang kräftig geklopft und gebürstet wurde, wobei die Diener in einer schier endlosen Schlange hintereinander anstanden, um sich alle zehn Minuten ablösen zu können.
    Das Kamel schaute erfreut zu. Jeder Schlag, den der Teppich bekam, tat ihm wohl.

    Endlich staubte er nicht mehr. Und auch das aufmerksamste Auge vermochte kein Körnchen mehr auf ihm zu erblicken. Er sah wie neu aus — ja, schöner als neu! Das ist ja das Wunderbare an diesen wertvollen Teppichen des Orients, daß sie mit zunehmendem Alter immer schöner werden.
    Inzwischen war es Abend geworden. Lange Schatten füllten den Hof. Vom fernen Atlasgebirge wehte ein kühler Wind herüber.
    Das Kamel fröstelte. Es wollte in den warmen Palast. Und es sagte zum Haushofmeister: »Laß den Teppich über Nacht hier hängen; es tut ihm gut, wenn er gründlich auslüftet.«
    Schon möglich, daß es damit recht hatte.
    Nur — am nächsten Morgen war er weg! Die Teppichstange war leer...

Jussuf kommt, und Jussuf geht

    Es ist schon richtig: Man war ein bißchen zu sorglos im Sultanspalast. Später wollte zwar niemand daran schuld gewesen sein, aber jedenfalls war der Wirtschaftshof nicht abgeschlossen worden.
    An drei Seiten war er von einer hohen weißen Mauer umgeben. Die vierte Seite grenzte an den Palast. Und durch die Mauer führte eines der grünen Holztore, die oben zwiebelförmig ausgeschnitten sind. Das Tor war alt, die Farbe abgeblättert, und Schloß und Scharniere waren rostig. Trotzdem hätte man das Tor abschließen können, aber es wurde ja schon seit Jahren nicht mehr abgesperrt. Warum sollte man es dann verschließen, nur weil ein Teppich auf der Stange hing? Teppiche gab es ja wie Sand am Meer in Sultanien. Ein Teppich, was war das schon?
    Nun wäre auch nichts passiert, wenn nicht gerade in jener Nacht ein gewisser Jussuf am Palast vorbeigewandert wäre. Jussuf liebte es nicht zu arbeiten, er war auch nicht eigentlich ein Dieb, jedenfalls hätte er sich nie so bezeichnet, nein, es war nur so, daß er des öfteren Sachen fand, die andere Leute irgendwo hingetan hatten.
    Nun, da der Sultan wieder heimgekehrt war, lag es nahe, daß Jussuf sich ein wenig in der Umgebung des Palastes umsah. Es konnte ja sein... Und siehe da! Die Tür zum Wirtschaftshof war nur angelehnt; sie lud gewissermaßen zum Eintritt ein, und dieser Umstand bewies, daß der Besitzer des Teppichs, der da auf der Stange hing, diesem keinen Wert beimaß.
    Das war für Jussuf so klar wie das Mondlicht dieser Nacht. Kurz und gut, er zog den Teppich herab, rollte ihn zusammen und schleppte ihn aus dem Hof. Es war eine schwere Arbeit, der Teppich war groß, dick und hatte ein gewaltiges Gewicht.
    Vor der Mauer wartete Jussufs grauer Esel, für den die Teppichrolle auch nicht gerade leicht war. Der Esel wunderte sich sogar, was für schwere Sachen die Leute so liegenließen, damit sie sein Herr finden konnte.
    Aber er war es gewöhnt, schwere Dinge auf den Buckel geworfen zu bekommen, und so trabte er denn davon, als Jussuf den Zügel faßte und es plötzlich eilig hatte, aus der Nähe des Palastes wegzukommen. Auch daran war der Esel bereits gewöhnt. Immer wenn sein Herr etwas gefunden hatte, mußte er traben!
    Jussuf, die braune Kapuze tief übers Gesicht gezogen, wußte nicht, was für eine Bewandtnis es mit dem Teppich hatte. Für ihn war es ein Teppich wie tausend andere, bestimmt kein Verlust für den Sultan; wer weiß, ob er sein Verschwinden überhaupt bemerkte!

Mustafa, der Teppichhändler

    Dennoch stand Jussuf am nächsten Morgen ganz gegen seine Gewohnheit sehr früh auf. Einer, dessen Tätigkeit darin besteht, Sachen zu finden, ist ja nicht an bestimmte Zeiten gebunden, im Gegenteil, je reicher der Tag an vergangenen Stunden ist, desto
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