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Loderne Glut

Titel: Loderne Glut
Autoren: Jude Deveraux
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ihr Kleid perfekt gebügelt, ihre Strumpfnähte gerade und ihre Schuhe poliert waren. Er achtete darauf, daß sie sehr gerade dastand - eine nachlässige Haltung konnte er bei der Frau, die er heiraten sollte, nicht dulden - und betrachtete ein wenig verdrossen ihre Brüste. Wenn sie mit so nach hinten gedrückten Schultern vor ihm stand, sah sie zu ... zu feminin aus.
    Er drehte sich auf dem Absatz um und ging auf das Eßzimmer zu, und Amanda gab einen fast unhörbaren Seufzer der Erleichterung von sich. Sie hatte die Inspektion bestanden, und, was noch mehr zählte, er hatte nicht geschimpft, weil sie die Treppe im Eilschritt heruntergekommen war -eine Untugend, die er verabscheute.
    Er zog für sie höflich den Stuhl unter dem Tisch hervor und nahm dann am Kopfende Platz. Wie gewöhnlich ließ sich ihre Mutter ihr Frühstück in ihrem Salon servieren, während ihr Vater seine morgendliche Mahlzeit stets vor ihnen einzunehmen pflegte. Zuweilen hatte Amanda den Verdacht, daß ihr Vater nicht mit ihr und Taylor zusammen essen wollte , daß ihn möglicherweise ihre gelehrten Tischgespräche störten. Schließlich hatte J. Harker die Schule schon vorzeitig verlassen, um seine Familie ernähren zu können, und das war auch der Grund, weshalb er sosehr darauf erpicht war, daß seine Tochter eine umfassende Erziehung erhielt und einen gebildeten Mann heiratete.
    Das Dienstmädchen stellte das Dreiminutenei vor Amanda auf den Tisch und die geröstete Weißbrotschnitte rechts daneben, was für Amanda das Signal war, mit dem Tischgespräch zu beginnen. Taylor wollte immer gern wissen, ob sie den Stundenplan auswendig kannte, den er mit so großer Sorgfalt zusammengestellt hatte.
    »Ich glaube, daß zollfreie Wolle eines der wichtigsten Ziele von Präsident Wilsons Steuerreform war. Ich meine, die Beseitigung von Importsteuern auf eingeführte Rohwolle.«
    Taylor entgegnete nichts; aber er nickte, und sie wußte, daß ihre Überlegungen richtig waren. Es war so schwierig, sich an alle Themen der Tagespolitik zu erinnern!
    »Und die Zölle auf Wollfabrikate sind auf fünfunddreißig Prozent gesenkt worden. Dies bedeutet natürlich eine Belastung für amerikanische Farmer, die Wolle verkaufen; aber andererseits ist das wieder eine Erleichterung für amerikanische Fabrikanten, die nun überall in der Welt ihre Wolle einkaufen können.«
    Taylor nickte. »Und der Zucker?«
    »Die Steuern auf importierten Zucker schützen die Zuckerrohranbauer von Louisiana und die Zuckerrübenfarmer im Westen.«
    Er zog eine Braue in die Höhe. »Das ist alles, was du über den Zuckerzoll weißt?«
    Sie durchforschte fieberhaft ihr Gedächtnis. »O ja, der Zuckerzoll wird in drei Jahren wieder aufgehoben. Die Zuckerrübenfarmer im Westen sagen . . .«
    Sie sahen beide auf, als J. Harker in das Zimmer stürmte. Er war ein untersetzter, vierschrötiger, zornig aussehender Mann - ein Mann, der vor langer Zeit herausgefunden hatte, daß die einzige Methode, etwas zu bekommen, darin bestand, daß man es sich nahm. Er hatte sich von einem Habenichts zum Besitzer der größten Hopfen-Ranch auf der Welt entwickelt. Er hatte sich diesen Aufstieg Zoll für Zoll hart erarbeitet - selbst wenn es unnötig gewesen war, hatte er gekämpft -, und bei jedem Schlag, den er dabei hatte einstecken müssen, war er noch ein wenig zorniger geworden.
    »Schau dir das an«, rief Harker und hielt Taylor einen Brief hin. Er verzichtete auf jegliche vom Anstand oder der Höflichkeit gebotene Floskel, wie zum Beispiel einen Morgengruß, nahm nicht einmal Notiz von seiner Tochter, sondern händigte lediglich Taylor, den er für den klügsten Mann auf der Welt hielt, den Brief aus. Taylors illustre -wenn auch mittellose - Familie, seine Bildung, seine Manieren, sein unbefangenes Auftreten in der Gesellschaft, waren Dinge, die J. Harker in Ehrfurcht versetzten.
    Nachdem sich Taylor sorgsam die Mundwinkel mit der Serviette abgetupft hatte, nahm er den Brief entgegen und las ihn.
    »Nun?« fragte J. Harker auf seine plump direkte Weise.
    Taylor faltete den Brief sorgfältig zusammen und nahm sich Zeit für seine Antwort. Der Brief stammte vom Gouverneur von Kaliforniern und wies auf die Gefahr hin, daß es in diesem Jahr Schwierigkeiten mit den Wanderarbeitern geben könne, die zum Hopfenpflücken auf der Ranch erwartet wurden. Die VAW - die Vereinigten Arbeiter der Welt - hätten davon gesprochen, daß sie nach Kingman kommen und Zusehen wollten, ob sie die Arbeiter nicht zu
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