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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg
Autoren: Renate E. Daimler
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aufsammelte und sich anzog, lehnte Paolo an der Tür und sah ihr zu. „Das nächste Mal“, sagte er und zeigte ihr sein Raubtierlächeln, „machen wir, was du willst.“ Lilly zog den Reißverschluss ihres Kleides zu und überraschte sich selbst: „Ich brauche einen Videoplayer.“
    Es war neunzehn Uhr. Lilly saß an ihrem Schreibtisch und wartete darauf, dass das Telefon doch noch läutete. Paolo hatte gestern nicht angerufen und heute auch nicht. Sie war vorbereitet. In der untersten Schublade lag, in einem neutralen Umschlag, das Video.
    Ob er jetzt wohl mit seiner Frau – falls er eine hatte – zu Abend aß? Oder ob er mit einer anderen Frau das machte, was er mit ihr tat? Lilly spürte keine Eifersucht, aber ihr Körper war auf Entzug. Sie wollte diesen puren, unverpackten, unverschämten Sex mit ihm. Sprachlos, konventionslos, zwei wilde Tiere, die sich zur Paarung trafen. Es war ähnlich wie mit Michel und gleichzeitig völlig anders. Michel war ihre erste große Liebe gewesen, sie hatte bei ihm bleiben und seine kleine Frau sein wollen. Er hatte sie nach ihrem Sprachenjahr weggeschickt. „Petite Autrichienne“, hatte er gesagt, „viele Männer warten auf dich. Du bist zu jung, um bei mir zu bleiben, und ich bin zu alt und zu klug, um es zu wollen.“
    Paolo dagegen war nicht liebenswert, er war einfach nur geil.
    Um acht Uhr sperrte Lilly die Redaktionstür hinter sich zu und ging zu Fuß am Donaukanal entlang in den neunten Bezirk. Sie liebte das Servitenviertel, in dem sie wohnte, und mochte die Dorfatmosphäre, wo jeder jeden kannte. Gleichzeitig war sie, wenn sie nur ein paar Gassen weiterspazierte, eine von vielen anonymen Bürgerinnen dieser Weltstadt.
    Jedes Mal, wenn sie ihre Wohnungstür aufsperrte und durch ihr helles Vorzimmer in den großen, fast fünfzig Quadratmeter großen Wohnraum mit den Bogenfenstern trat, spürte sie ihre Dankbarkeit für diese Oase mit Blick auf die Servitenkirche. Auf der Rückseite des Hauses hatte die gemütliche Wohnküche einen kleinen Balkon, von dem sie auf eine alte Linde im großen Innenhof sah. Dort saß sie an lauen Abenden, meistens mit Ralf, an ihrem runden, hellblau lackierten Tisch auf bunten Klappsesseln.
    Sie zog sich im Schlafzimmer, das ebenfalls auf den Innenhof ging, ihren flauschigen Bademantel an. Dann nahm sie sich ein Glas Weißwein, setzte sich im Wohnzimmer auf ihr weißes Sofa, schaltete den Fernseher ein und versuchte der Irritation zu ­entkommen, die Paolos Schweigen in ihr auslöste. Nach einer Weile nahm sie eine Dusche, aber auch das half nichts. Die ­Entzugserscheinungen verstärkten sich nur durch das heiße Wasser. Sie wusste, dass sie es sich selber machen konnte. Aber bei dieser Vorstellung drängte sich ihr das Bild von der Tiefkühlpizza im Vergleich zu einem Gourmetmenü auf, und sie verlor die Lust.
    Sie besichtigte den Inhalt ihres Kühlschranks und das deprimierte sie noch mehr. Keine Zutaten für ein befriedigendes Abendessen. Nur ein Glas Oliven, ein Glas Kapern und ein Liter Milch. Ihre Bregenzerwälder Oma hatte ihr immer Milch mit Honig ans Bett gebracht. Und plötzlich war das kleine Mädchen da, das Trost brauchte.
    Lilly machte sich eine Wärmflasche, nahm den Becher mit der Honigmilch mit ins Bett und schlief ein.
    Gott sei Dank war das neue Heft schon abgeschlossen. Lilly konnte sich nicht konzentrieren, und Ralf warf ihr auf der Redaktionskonferenz, die der Themenfestlegung für das nächste Heft diente, einen besorgten Blick zu. „Ich möchte eine Geschichte über Orgasmusschwierigkeiten machen“, hörte sie sich sagen, „unter Berücksichtigung von hilfreichem Sexspielzeug.“ Ihr Freund und Geschäftspartner warf ihr einen überraschten Blick zu. Bisher hatte sich Lilly in ihrer Themenwahl an einen klaren roten Faden gehalten. Das Thema Sex hatte nicht dazugehört.
    Um siebzehn Uhr läutete das Telefon: „Ich warte auf dich, der Videoplayer steht schon im Schlafzimmer.“
    Lilly spürte eine Welle der Erleichterung und Erregung zur gleichen Zeit. Das Vakuum, in das sie Paolos Schweigen gestürzt hatte, war ein unbequemer Platz gewesen. Keine Verabredungen, weil er anrufen könnte, keine Gespräche über ihn mit Ralf oder ihrer besten Freundin, weil ihr ihre eigene Geilheit peinlich war. Isolation pur.
    Paolo trug diesmal einen
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