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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
Autoren: John Everson
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nur das eine, und wenn sie es ein paarmal bekommen hatten, begannen sie, sich zu langweilen. Dann wollten sie andere Sachen. Andere Frauen.
    Die Musik schien von irgendwo weiter unten am Strand zu kommen, aus der Nähe des in die Brandung hinausragenden Felsstreifens, den sie Gull’s Point nannten – Möwenspitze –, weil die Klippe in den Sommermonaten von lärmenden Vogelschwärmen förmlich übersät war.
    Jetzt allerdings lag der Felsen verlassen da. Dunkle gezackte Spitzen zeichneten sich vor einem düsteren Nachthimmel ab.
    Und doch war jemand dort, das stand für Kylie fest. Eine Frau, und sie sang wunderschön. Kylie konnte zwar den Text nicht verstehen, aber die Melodie, so voller Kummer und Hoffnung, zog sie magisch an.
    Sie erreichte den Rand des natürlichen Wellenbrechers und balancierte vorsichtig die Kuppe entlang über das Wasser hinaus. Das Lied erscholl direkt unterhalb der Spitze, aber um dorthin zu gelangen, musste Kylie bis ganz nach vorne zur Kante, um dann an der Außenseite hinunterzuklettern.
    Bei Nacht ist das Meer wunderschön, dachte sie, während sie auf einen von Flechten überzogenen Absatz trat. Zwischen dem leisen Plätschern der Wellen und der Schönheit der Melodie bemerkte sie, dass sie nicht länger wütend auf Abram war. Noch nicht einmal traurig. Die Klänge nahmen all den Schmerz und sämtliche Enttäuschungen des Tages von ihr; die nächtliche Energie schien ihr zu entgleiten, und Kylie beschloss, sich für einen Augenblick auf den Felsen auszuruhen.
    Sie setzte sich hin und blickte hinaus auf die gerade noch erkennbaren weißen Wellenkämme, schmeckte warm und lebendig das unverwechselbare Aroma des Ozeans. Kylie atmete tief ein und ließ sich einfach treiben. Die Musik war nun überall, leise und doch allumfassend. Sie schloss die Augen und ließ sich davontragen in eine bessere Welt.
    Leicht wie Federn strichen Hände an ihren Schulterblättern entlang. Kylie entspannte sich und schloss die Augen. Nichts machte ihr mehr Sorgen. Die Musik erklang nun in ihr, und ihr verführerischer Ruf war das Einzige, was zählte.
    Kylie spürte nicht die Nägel, die über ihren Körper glitten, während geschickte Finger sie vollständig entkleideten. Sie nahm kaum wahr, wie sie über ihre Brust und ihren Hals fuhren. Sie war wach und doch träumte sie. Ein Schauder überlief sie, und als ihr zwei goldgesprenkelte Augen, in denen die Gier eines Raubtiers glomm, ins Gesicht sahen, strengte sie sich an, dem seltsamen Nebel zu entfliehen, der ihr Bewusstsein umfing. Endlich begriff sie, dass sie nackt war und in höchster Gefahr schwebte.
    Zu spät.
    Kylie schrie auf, als das Lied abrupt verstummte.
    Nur ein einziges Mal.
    Niemand bekam mit, wie zwei kalte Hände ihren Leichnam von den Felsen in die willkommene Umarmung des Ozeans zogen.

3
    Sonnenstrahlen fielen auf die zerwühlten Laken und schienen Evan direkt ins Gesicht. Er erwachte blinzelnd. Der Tagesanbruch hatte ihn nun wieder fest im Griff. Noch so früh. Morgens kamen ihm die Nächte immer viel zu kurz vor … doch wenn er um kurz nach zwei an die Decke starrte, schienen sie schier endlos zu sein.
    Neben ihm schnarchte Sarah. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie aufwachte. Seit Joshs Tod schlief sie länger und länger … weil sie sich immer häufiger in der Bar die Abende um die Ohren schlug. Evan hätte sich vielleicht Sorgen gemacht, dass sie ihn betrog und sich von Kerlen abschleppen ließ … aber meistens war er derjenige, der aufkreuzte, um sie nach Hause zu bringen. Den größten Teil der Zeit nach Einbruch der Dunkelheit verbrachte jeder von ihnen allein in seiner eigenen, privaten Trauer … nur um am Ende das letzte Stück doch wieder gemeinsam zurückzulegen.
    Er küsste sie sanft auf die Stirn und stahl sich leise aus dem Bett ins Badezimmer davon. Noch vor einem Jahr wäre Sarah bereits unten gewesen, hätte in der Küche hantiert und mit ihrem fröhlichen Geklapper sowohl Evan als auch Josh aus den Federn gelockt. Irgendwann wären »ihre Jungs« dann, während sie sich gähnend reckten und streckten, durch die Diele in die Küche getrottet, aus der es warm nach Eiern oder Maisbrei und Kaffee duftete. Dann hätten sie sich an den Tisch gesetzt, um gemeinsam den bevorstehenden Tag zu besprechen.
    Josh besuchte damals die achte Klasse an der Bayside, und beim Frühstück hatten sich hin und wieder bereits Planungen für die High School eingeschlichen. Sollte er es versuchen und Geschichte als
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