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Liebenswerte Langhälse - über den artgerechten Umgang mit Gänsen

Liebenswerte Langhälse - über den artgerechten Umgang mit Gänsen

Titel: Liebenswerte Langhälse - über den artgerechten Umgang mit Gänsen
Autoren: Marion Bohn-Foerster
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trage zum Beispiel helle Hosen, eine knallbunte Bluse, Lackschuhe und ein Haartuch, erkennen die Tiere wohl meine Person und die Stimme, sind aber durch das andere Bild von mir derart verunsichert, dass sie mich anfeinden oder sogar attackieren. Besonders Lackschuhe bringen die Ganter vollkommen aus der Fassung. Wenig später, im vertrauten olivfarbenen Arbeitsdress, kommen alle wieder freudig angeflattert, als wäre nichts gewesen.
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    Im Umgang mit Gänsen ist es also wichtig, an erprobten Ritualen festzuhalten, das heißt: wenn möglich gleiche Wege, gleiche Worte, annähernd gleiche Reihenfolge und gleiche Zeiten. Letzteres ist bei der Betreuung von Gänsen erforderlich, denn ihre innere Uhr läuft. So stehen sie beispielsweise zur gewohnten Stunde unruhig am Tor der Weide und wollen heim zum Stall, wo der gefüllte Futtertrog auf sie wartet. Veränderungen brauchen immer Zeit und viel Geduld. Gänse vertragen Zwang und vor allem Hektik ganz schlecht! Sie reagieren darauf, genau wie Pferde, völlig kopflos und fallen dann des Öfteren einmal über Gegenstände, die direkt vor ihnen liegen. Wenn eine panische Gänsegruppe erst einmal in Bewegung gerät, gibt es kein Halten mehr. Stürzt ein Tier dabei, kommt es so schnell nicht wieder auf die Beine, weil viele nachfolgende Artgenossen immer wieder darüberfallen. Das ist keine Schusseligkeit, sondern liegt daran, dass Gänse ihren Hals und Kopf hoch emporrecken, um ihren Fluchtweg weitläufig einzusehen. Durch die seitliche Anordnung ihrer Augen entsteht aber ein toter Winkel direkt vor ihnen. Aus diesem Grund fixieren sie auch Dinge in der unmittelbaren Nähe ihres Körpers oder Flugobjekte immer mit geneigtem Kopf, einäugig.

    Gänse sind von Natur aus skeptisch und tun sich mit Veränderungen schwer. (Foto: Beate Meisenzahl)
    Wer sich im Umgang mit seinen Gänsen wie eine wandelnde Schlaftablette vorkommt, verhält sich für sie genau richtig. Ruhe und Gelassenheit sind notwendig, damit Gänse Vertrauen fassen und handzahm werden. Wobei bemerkt sei, dass unter dem Begriff „handzahm“ nicht ständiges Anfassen und Umhertragen zu verstehen ist. Das mögen Gänse nicht. Wie alle Vögel sind sie von Natur aus mit einem Fluchtreflex ausgestattet. Wenn man nach ihnen greift, weichen sie zurück, auch wenn sie ansonsten sehr zutraulich sind. Diese Instinkthandlung läuft automatisch ab und wird zwanghaft ausgeführt.
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    Was versteht man dann also unter handzahm? Handzahme Gänse sind sehr anschlussfreudig, sie suchen den Kontakt mit ihrem menschlichen Freund und lassen seine unmittelbare Nähe zu. Natürlich darf man die Langhälse manchmal auch berühren oder streicheln. Dabei ist es aber wichtig, währenddessen mit ihnen zu sprechen, damit sie nicht verunsichert werden. Stellen Sie sich doch mal vor, eine Person greift Ihnen schweigend, ohne ihre Absicht zu erklären, einfach ins Haar. Sie würden bestimmt instinktiv mit Abwehr reagieren. Wenn Ihnen diese Person aber sagt: „Entschuldigen Sie, auf Ihrem Haar krabbelt eine Spinne, soll ich sie entfernen?“, würden Sie aufgrund dieser Erklärung einer Berührung sicher zustimmen. Die Gänse erfassen selbstverständlich nicht den Sinn des Gesagten, aber die Worte beruhigen sie ebenso wie uns. Ich behandle meine Gänse prinzipiell wie Familienmitglieder und rede auch genauso mit ihnen. Absichten oder Zielorte betone ich immer besonders und verwende in Sätzen, die ein tägliches Ritual ankündigen, auch stets die gleiche Wortfolge. Beispielsweise: „Guten Morgen, es gibt FRÜHSTÜCK.“ Oder: „Kommt ihr bitte mit auf die WIESE?“ Das wurde von Fremden schon des Öfteren belächelt, aber ich sehe darin eine Notwendigkeit, denn Gänse sind schlau und können durchaus gesprochene Kommandos erlernen. Damit das gelingt, müssen wir Menschen aber zuerst einmal ihre Sprache lernen.

    Wenn er sein Aussehen stark verändert, wird auch schon mal der vertraute Besitzer mit solchen Drohgebärden auf Abstand gehalten. (Foto: Marion Bohn-Förder)

    Die gleiche Sprache sprechen – von Anfang an. (Mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Presse-Agentur, Foto: Jörn Perske)
    Do you speak „Gänsisch“?
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    Die Sprache der Gänse ist gar nicht so schwer und von jedermann erlernbar. Wer seine Tiere beobachtet und sich ihre Verständigungslaute und Gesten abschaut und aneignet, gelangt mit seinen Vögeln schnell auf einen vertrauten Nenner. Dieses kommunikative „Aufeinander-Zugehen“ ermöglicht es, den Gänsen nach
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