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Liebe ohne Schuld

Liebe ohne Schuld

Titel: Liebe ohne Schuld
Autoren: Catherine Coulter
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»Bitte, holen Sie Mr. Goddis!«
    »Das geht nicht, er schläft«, hatte Turp brummend entgegnet.
    »Das kann ich mir denken, aber ich möchte, daß Sie ihn trotzdem wecken. Er wird Ihnen schon keinen Vorwurf machen.«
    Fünfzehn Minuten später hatte Evan Goddis die Bibliothek von Leslie Farm betreten, die einst der ganze Stolz von Arielles Vater gewesen war. Mittlerweile war der Raum reichlich staubig und die Luft sehr muffig, da Evan für die Bücher nur Verachtung übrig hatte, weil sie Gedanken enthielten, die ihm fremd waren. In seinem grauen Brokatmantel war er unter der Tür stehengeblieben und hatte seine Halbschwester mit kritisch hochgezogener Augenbraue gemustert.
    »Nun?« hatte er auf die ihm eigene Art geschnarrt, die Arielle augenblicklich hatte erschauern lassen. »Was, zum Teufel, führt dich hierher, Arielle? Ein etwas dramatischer Auftritt, nach meinem Geschmack. Mitten in der Nacht einfach hier aufzukreuzen! Und noch dazu ohne den lieben Paisley.«
    »Ich habe meinen Mann verlassen«, hatte sie hastig erklärt. »Er ist grausam, sadistisch und – und nicht normal, Evan! Ich bitte dich um deinen Schutz.«
    »Das ist ja interessant.« Langsam hatte er den Raum betreten. Er war größer als die meisten und hatte dünne Storchenbeine. Sein sandbraunes Haar umgab seinen Schädel wie ein Kranz, und seine Augen hatten die Farbe von dünnem Haferschleim. Zum ersten Mal hatte Arielle bemerkt, daß eigentlich alles an ihm dünn und spärlich war, und nur inständig gehofft, daß sich sein Mitgefühl nicht als ebenso mager erweisen würde.
    »Diesen Raum habe ich schon immer gehaßt«, hatte er bemerkt, während er die Regale im flackernden Kerzenlicht gemustert hatte. »Hier drinnen ist der Geist deines Vaters lebendig. Manchmal kann ich ihn regelrecht fühlen. Ihn konnte ich übrigens ebensowenig leiden!«
    »Evan, du mußt mir helfen!«
    Er war vor ihr stehengeblieben. »Bist du immer noch nicht schwanger?«
    Zuerst war sie nur blaß geworden, doch dann hatte sie ein lautes, wildes Lachen überkommen. »Schwanger? Oh, wie komisch, Evan!«
    Er hatte ihr eine Weile zugesehen, doch als das schrecklich krächzende Lachen nicht hatte enden wollen, hatte er sie angeherrscht: »Sei still, Arielle! Nimm dich zusammen! Demnach hat der alte Narr nicht einmal das geschafft?«
    Sie hatte nur stumm den Kopf geschüttelt und verzweifelt um Fassung gerungen.
    »Aber genau deswegen hat er dich doch geheiratet«, hatte Evan verwundert bemerkt, während er mit seinem langen Zeigefinger nachdenklich über sein Kinn gefahren war.
    »Was soll das heißen?«
    »Der alte Narr hat damals seine Karten offen auf den Tisch gelegt. Nachdem er dich, deine Jugend und deine Schönheit gesehen hatte, glaubte er felsenfest daran, daß du seine Manneskraft wiedererwecken könntest. Hast du ihn etwa enttäuscht?«
    »Ja.«
    »Dann ist meine kleine Halbschwester immer noch Jungfrau?«
    Sie hatte ihn angesehen, und in ihren Augen hatten sich Erfahrungen und Wissen gespiegelt, die nicht zu ihrem Alter paßten. Wieder entrang sich ein hartes Lachen ihrer Kehle. »Jungfrau? Ach, Evan, das ist wirklich komisch! Wahrscheinlich hätte ich diese einfache Sache wesentlich lieber gemacht als alles, wozu er mich gezwungen hat.« Sie hatte eine Pause eingelegt, um sich zu fassen. »Er schlägt mich, Evan. Er mißbraucht mich, und ich kann unmöglich länger bei ihm bleiben! Ich möchte nach Hause kommen, und du sollst mich beschützen. Er darf mir nicht mehr zu nahe kommen!«
    »Bist du jetzt völlig verrückt geworden, Arielle?«
    Wortlos hatte sie ihren grünen Umhang abgelegt und war aufgestanden. Nachdem sie ihr Kleid geöffnet und sich umgedreht hatte, ließ sie das Oberteil und das einfache, weiße Hemd bis zur Taille heruntergleiten und raffte ihr langes Haar über einer Schulter zusammen. »Das hat er mir angetan«, war alles gewesen, was sie gesagt hatte.
    Sie hatte einen tiefen Atemzug gehört und dann gespürt, wie sein langer, dünner Finger vorsichtig einige der Striemen nachgezeichnet hatte. Nachdem er seine Untersuchung beendet hatte, hatte sie sich wieder angekleidet und sich ihm zugewandt. Seltsam, hatte sie dabei gedacht, wie wenig Ähnlichkeit doch zwischen uns besteht, obwohl wir dieselbe Mutter hatten. Wahrscheinlich sah er seinem Vater, John Goddis, ähnlich, den ihre Mutter aber niemals erwähnt hatte.
    »Nun? Wirst du diesen perversen alten Mann von mir fernhalten und mich beschützen?«
    Evan hatte sie nur angelächelt und
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