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Liebe Mathematik, löse deine Probleme bitte selber - verblüffend einfache Lösungen für Mathematik im Alltag

Liebe Mathematik, löse deine Probleme bitte selber - verblüffend einfache Lösungen für Mathematik im Alltag

Titel: Liebe Mathematik, löse deine Probleme bitte selber - verblüffend einfache Lösungen für Mathematik im Alltag
Autoren: Heyne
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doch es gibt genug Beispiele für Völker, die es anders gemacht haben. Das mag vielleicht überraschen, schließlich kommen uns unsere Zahlen und unser Zahlensystem völlig natürlich vor. Es fällt uns schwer zu glauben, dass sie nicht quasi »naturgegeben« sind. Hätten wir nur acht Finger statt zehn, nähmen wir die Acht als Basis und wären genauso glücklich – allerdings keine so guten Klavierspieler mehr.
    Nach dem Zehnersystem ist das Vigesimalsystem am gebräuchlichsten, das auf der Zahl Zwanzig basiert. Sowohl die Mayas als auch die Inuit rechneten auf Basis der Zwanzig, vermutlich, weil sie mit Fingern und Zehen zählten – wobei Inuit ohne ihre Schuhe ziemlich gefroren haben müssen.
    5.
    Sie fahren mit einem Sack Weihnachtsgeschenke nach Hause. Dort warten schon fünf junge Cousins auf die Beute. Der erste schnappt sich die Hälfte aller Geschenke und noch eins. Mit dem Rest laufen Sie bald dem nächsten Cousin über den Weg, der sich die Hälfte dessen, was übrig ist, und ein Geschenk schnappt. Der dritte, vierte und fünfte Cousin machen das Gleiche. Völlig erledigt kommen Sie im Wohnzimmer an, wo Schwiegermama schon auf ihre Bescherung wartet. Sie überreichen ihr das einzige Geschenk, das Sie noch übrig haben. Wie viele hatten Sie am Anfang?
    Einige Elemente des Denkens in Zwanzigern haben es sogar in unsere Kultur geschafft. Fragt man einen geheimnisvollen Fremden inmitten eines windgepeitschten englischen Moors, wie weit es zum nächsten Pub ist, antwortet er vielleicht mit »two score miles and ten«, »zwei Stiegen (20) Meilen und dann noch mal zehn«, auf gut Deutsch fünfzig Meilen. (Das Wort score, »Stiege«, wird seit biblischen Zeiten verwendet, als es hieß, die durchschnittliche Lebensspanne des Menschen betrage »three score years and ten«, also 70 Jahre. (Im Deutschen ist die »Stiege« praktisch völlig untergegangen; »Dutzend« und »Schock« [zwölf Dutzend] haben als Reste eines Zwölfersystems noch überlebt, aber »Stiege«, früher durchaus gebräuchlich, ist verschwunden.) Bittet man einen Franzosen um 80 Zwiebeln, hebt der vielleicht verwundert über Ihren großen Appetit auf das Nationalgemüse die Augenbrauen und vergewissert sich: »quatre-vingt?«  – »Vier Zwanziger?« Franzosen und Engländer mögen sich nicht grün sein – aber in diesen Fällen haben beide die Zwanzig als Zähl-Basis verwendet.
    Ebenso wie das Zehner- und Zwanzigersystem durch das Zählen mit Fingern und Zehen entstanden ist, geht auch das Fünfersystem einiger Zivilisationen auf das Zählen mit den Fingern – einer Hand – zurück. Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln, was Sie verpassen, möchte ich beschreiben, wie ein Fulbe in Westafrika zählen würde. Für uns ungewohnt, aber vollkommen vernünftig:
    Zuerst hat er eigene Namen für die Zahlen von eins bis vier. Um uns das Leben einfacher zu machen, übersetzen wie sie jetzt einfach mal mit »eins«, »zwei«, »drei« und »vier«. Außerdem hat er Namen für die Fünferpotenzen (5, 25, 125 usw.),
sagen wir mal »Fünf«, »High Five« und »Jackson-five«. Mit diesem System könnte er jede beliebige Zahl ausdrücken.
    Nehmen wir als Beispiel die Zahl, die wir »dreihundertneununddreißig« nennen. Wir haben ihr diese Bezeichnung gegeben, weil sie in unseren Augen aus drei Hundertern, drei Zehnern und neun Einern besteht. Aber ein Fulbe sieht sie ganz anders. Er betrachtet sie und sieht, dass sie aus zwei Jackson-fives besteht, drei High-fives, zwei Fünfen und vier Einern. Also nennt er sie auch genau so. Überprüfen Sie seinen Gedankengang. Er hat keine Fehler gemacht, alles addiert sich zu 339. Der Fulbe hat die Zahl einfach nur anders betrachtet.
    (An dieser Stelle sei angemerkt, dass ich eigentlich nicht so tun sollte, als ließe sich die Zahl »dreihundertneununddreißig« nur mit den Zeichen »339« ausdrücken. Der Fulbe würde die Zahl im Fünfersystem nicht so hinschreiben [wenn er sie denn niederschriebe]. Aber fürs Erste bleibe ich bei der Schreibweise »339«, und meine damit die Zahl, auf die wir uns beziehen, wenn wir diese Symbole hinschreiben.)
    Gut möglich, dass Ihr Mathelehrer all das nie erwähnt hat. Gut möglich, dass er es für sich behalten hat, tief versteckt in seiner abgewetzten ledernen Aktentasche, neben der Tupperdose mit Cornedbeef-Sandwich und einer überreifen Mandarine. Unser Zahlensystem spiegelt unseren Körperbau wider. Und wir haben es erfunden, weil wir es nach der Erfindung der Zahl
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