Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
eingeladen worden?«
    »Er gibt keine privaten Feste, aber was soll das Gerede?« Gregor zog seinen Uniformrock straff. »Ich gehe jetzt hin zu dem Engel mit den Rosen im Haar und stelle mich als leidenschaftlicher Rosenzüchter vor!«
    »Dann geh erst hinüber zu Michejew und fordere ihn zum Duell, du Narr!«
    »Michejew?« fragte Gregor von Puttlach leise.
    »Das Mädchen ist Michejews Tochter. Grazina Wladimirowna …«
    »Grazina! Nie hat ein Name besser zu einem Menschen gepaßt wie der zu diesem Traum von einem Mädchen. Ich werde es ihr sagen.«
    »Dann bist du die nächste Woche strafversetzt, Gregor!« Hauptmann von Eimmen stellte sich von Puttlach in den Weg, als dieser auf Grazina Wladimirowna zugehen wollte. »Du Idiot, du! Michejew gehören Güter und Dörfer, so groß wie eine deutsche Provinz. Er könnte mit seinen Bauern eine eigene Armee zusammenstellen. Wenn Reichtum juckte, dann wären fünf Männer damit beschäftigt, Michejew zu kratzen! Seine Frau ist eine Freundin der Wyrobowa, sagt dir das etwas, du Schwachkopf? Und seine Tochter schließt er ein wie einen Kronschatz. Nur an besonderen Tagen holt er sie hervor, und Silvester oder der Geburtstag des Zaren sind solche Tage. Hast du mal versucht, die Zarenkrone anzufassen?«
    »Sie ist das Schönste, was ich je gesehen habe«, entgegnete Gregor, und seine Stimme hatte einen verträumten Klang bekommen. »Grazina Wladimirowna! Das ist doch Musik …«
    »Nein, das ist für dich das Gefährlichste, was Rußland zu bieten hat!« Hauptmann von Eimmen stieß Gregor diskret mit dem Ellbogen in die Seite. »Komm, löse dich aus deinem Himmel. Das Ballett beginnt!«
    Die Türen zum Seitensaal sprangen auf, das Orchester setzte ein. Tschaikowskis Musik … Wolken aus Tüll schwebten auf das Parkett. Der Zar lehnte sich zurück, die Zarin starrte wie abwesend vor sich hin und dachte an ihren Sohn, der jetzt traurig mit ein paar Freunden spielte, umgeben von Aufpassern.
    »Mich interessiert kein Ballett!« sagte Gregor fast grob. »Dazu hast du mehr Beziehungen …«
    Hauptmann von Eimmen zuckte mit den Schultern, ließ Gregor stehen und sagte im Weggehen: »Meine letzte Warnung, Junge! Dich rettet keiner mehr, wenn du in den Bannstrahl des alten Michejew gerätst. Ist das klar?«
    »Ja! Verschwinde!«
    Das Ballett der Petersburger Oper tanzte. Wie Schneeflocken im Wind wiegten sich die grazilen Leiber der Primaballerinen. Bis zum Umfallen hatte man diese Sprünge, diese Pas de deux geübt und hatte eine Perfektion des Tanzes erreicht, die einmalig war. Es war wie alles, was diesen Silvesterball auszeichnete: Rußland suchte den Weg aus der Isolation.
    Es will die Ostsee beherrschen, es drängt auf einen Zugang zum Mittelmeer … Das Völkergemisch der österreichisch-ungarischen Monarchie mit seinen vielen slawischen Gruppen ist für Rußland ein unmöglicher Staatenbund … In Serbien arbeitet seit Jahren die Geheimorganisation ›Schwarze Hand‹ mit dem Ziel, sich von Österreich zu lösen … Ungarn war seit Jahrzehnten ein Problem … Europa im Aufbruch zu einer neuen Zeit, und Rußland hat den Ehrgeiz, diese neue Zeit kräftig mitzugestalten …
    Rußland? Nein, ein kleiner Kreis von Männern, an der Spitze Großfürst Nikolai Nikolajewitsch. Und außerhalb aller Pläne ein müder Zar, der Angst um seinen einzigen Sohn hat und sich von Rasputin Papa nennen läßt.
    Silvester 1913.
    Der Zar schlug die Beine übereinander. Das Ballett tanzte vollendet. Er war sicher, daß man dem Ballettmeister für diese Leistung einen Orden verleihen mußte …
    »Sie halten nicht viel vom Tanz, Comtesse?«
    Grazina Wladimirowna blickte hoch. Sie lehnte noch immer an der Säule und war jetzt allein, weil alle anderen Gäste um das Ballett standen. Sie blickte in ein paar blaue, fröhliche Augen, dann glitt ihr Blick an dem schlanken Offizier in der Ulanenuniform hinunter. Mit einem Ruck des Kopfes wandte sie sich dann dem Ballett zu.
    »Ich tanze sehr gern«, sagte sie.
    Gregor von Puttlach atmete innerlich auf. Sie gibt Antwort, dachte er. Die erste Bresche habe ich bereits geschlagen. Und sie sagt sogar etwas sehr Persönliches …
    »Darf ich Sie dann um die Zarenpolonaise bitten, Comtesse?« Gregor verbeugte sich knapp und nannte seinen Namen.
    »Sie sind Deutscher?« fragte Grazina, ohne ihn dabei anzusehen.
    »Ja. Als Attaché an unsere Botschaft beordert.«
    »Sie sprechen ein gutes Russisch.«
    »Meine Familie kommt aus dem Baltikum, Comtesse.«
    »Ach so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher