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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Petersburg wohl kaum eine hübsche Tochter der besseren Familien, mit der Gregor nicht schon getanzt, geplaudert, am Klavier musiziert oder die er gar – unter Ausnutzung verträumter Situationen oder Stunden – geküßt hatte. Sein hinter vorgehaltener Hand weitergeflüsterter Ruf als Kavalier war ungeheuer, und wenn er in seiner schmucken Ulanenuniform irgendwo auftauchte, wo drei Mädchen zusammenstanden, konnte man darauf wetten, daß zweien von ihnen die Röte in die Wangen schoß.
    Gregor von Puttlach nahm das mit der Gelassenheit eines Mannes hin, der weiß, wie er auf Frauen wirkt. Gefährlich wurde es nur, wenn auch die noch immer lebenshungrigen Mütter der schönen Töchter ihm Billets zusteckten und um ein Rendezvous baten – und es waren Damen darunter, deren Männer hohe Offiziere oder von bekanntem Adel waren.
    »Ich warne Sie, von Puttlach!« hatte vor drei Monaten Oberst von Semrock zu ihm gesagt. Semrock war Chef der Militärabteilung der Deutschen Botschaft und somit Gregors Vorgesetzter. »Sie sind gestern mit der Fürstin Lobnosochow gesehen worden, und vorgestern mit deren entzückender Tochter! Ich weiß nicht, woher Sie die Potenz nehmen, aber das garantiere ich Ihnen: Wenn das so weitergeht, werde ich dafür sorgen, daß man Sie von Petersburg an die Botschaft nach Konstantinopel versetzt! Dort können Ihnen, wenn Sie die Harems stürmen, die Eunuchen wenigstens straflos den Kopf abschlagen.«
    Und jetzt stand Gregor also in einer Ecke des Ballsaales, sah dem Auftritt der Zarenfamilie zu und stand in strammer Haltung wie alle Offiziere, bis Nikolaus II. und die blasse müde Zarin, die nur an ihren Sohn und an den fernen Rasputin dachte, sich gesetzt hatten. Das Orchester hatte die Hymne beendet, Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, den man Rußlands Gewissen nannte, was sehr treffend war, denn er hatte keines, begrüßte den Zaren im Namen aller Gäste, und das große Fest, das prunkvollste Ereignis des Jahres, konnte beginnen, der Silvesterball 1913.
    Das Programm war vom Protokoll festgelegt worden. Zu Beginn führte das Ballett der Petersburger Oper einen Tanz aus Tschaikowskis ›Dornröschen‹ vor; darauf sollte, falls sich die Zarin wohl genug fühlte, die eigentliche Eröffnung des Balls stattfinden: eine große Polonaise, von den Majestäten angeführt.
    Die starre Ordnung der Wartenden löste sich auf, und alles drängte mehr in die Mitte des Saales. Ein Platz für das Ballett blieb frei. Auch Gregor von Puttlach wollte seinen Platz verlassen, als er plötzlich wie angewurzelt stehenblieb und sich an Hauptmann von Eimmen, den Zweiten Militärattaché, wandte.
    »Wer ist das?« fragte Gregor.
    Hauptmann von Eimmen blieb stehen und sah sich um. »Wer?«
    »Dieser Engel da drüben in dem Kleid aus Florentiner Spitze …«
    Der Hauptmann blickte in die angegebene Richtung und verzog sein Gesicht, als habe er Essig getrunken. An einer der Marmorsäulen lehnte ein junges Mädchen, in deren lange blonde Haare ein geschickter Friseur winzige rote Rosen gesteckt und das Ganze mit einem Schleier aus Goldfäden überzogen hatte. Der tiefe Ausschnitt des Kleides war mit Hermelin verbrämt, ließ aber den Ansatz der schönen Brüste ahnen. Das Mädchen blickte ruhig über das Gedränge hinweg und beteiligte sich nicht an dem Kampf um einen guten Platz zum Betrachten des gleich beginnenden Balletts.
    »Vergiß sie«, sagte von Eimmen und befreite sich aus Gregors Griff. »Dieses Mädchen ist unerreichbar für dich.«
    »Ich habe sie noch nie gesehen …«
    »Das glaube ich!« Der Hauptmann grinste schief. »Es gibt zwei Dinge in Sankt Petersburg, die nicht zu erstürmen sind: die Petersfestung und – na ja – da drüben wartet übrigens die kleine Mustowa auf dich …«
    »Wer ist der Engel?«
    »Junge, beschwöre keine Komplikationen herauf, die sogar politisch werden könnten! Es gibt hier doch Röcke genug, denen du nachjagen kannst, ohne gleich auf die weiße Weste des Deutschen Kaiserreiches einen Fleck zu zaubern …«
    »Red' keinen Unsinn, Rudolf! Ich will den Namen der Dame wissen, oder ich gehe einfach hin und stelle mich ihr vor. Zur Zarenfamilie gehört sie nicht, in keinem Salon habe ich sie je …«
    »Sieh mal nach links.« Hauptmann von Eimmen lächelte fast mitleidig. »Wer steht da an der vierten Tür zum Garten?«
    »Stroganow, der alte Gauner, Trubetzkoi und General Michejew. Was soll das?«
    »Du kennst Michejew?«
    »Natürlich. Du doch auch.«
    »Bist du jemals von ihm
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