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Liebe bringt die höchsten Zinsen

Liebe bringt die höchsten Zinsen

Titel: Liebe bringt die höchsten Zinsen
Autoren: Egon F. Freiheit
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merken, wie sehr die Erinnerung an ihre Eltern sie berührte. Sie sah ihre Mutter vor sich mit ihrer besonderen Auffassung von Disziplin und mit ihrem festen, unverrückbaren Glauben, dass jede Enttäuschung, jeder Schicksalsschlag im Leben überwunden werden konnte.
       „Jeder Mensch besitzt verborgene Kräfte", hatte Johanna ihrer Tochter gepredigt. Stefanies Mutter hatte damit gemeint: Wenn die Not am größten ist und wenn wirklich Wichtiges auf dem Spiel steht, gilt es, verborgene Kräfte zu mobilisieren und über sich hinauszuwachsen.
       Stefanie überlegte, warum ihr diese Erfahrung ihrer Mutter gerade jetzt in den Sinn kam. Hatte sie vielleicht doch die Eigenschaften Johannas angenommen?
       Unauffällig und behutsam unternahm sie Nachforschungen nach ihrer leiblichen Mutter. Ein erster Anlauf beim Jugendamt scheiterte, weil die Sachbearbeiterin für Adoptionsfragen für mehrere Wochen in Urlaub war und der Leiter der Behörde mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus lag.

    ***

       In der Bank hatte sie eine wichtige Stütze: Thomas Rottmayer. Der 35-Jährige war groß, stattlich gewachsen und mit einer blonden Lockenpracht gesegnet. Er hatte eine solide Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert und fünf Jahre Erfahrung als Investmentbanker für ein großes amerikanisches Brokerhaus in London und New York gesammelt. Dann brach die Finanzkrise über den Globus herein und zwang die Politiker, den Investmentbanken strengere Regeln aufzuerlegen. Die Zeit des schnellen Geldes lief ab, die Finanzjongleure mussten ihre Ferraris und Luxuswohnungen verkaufen. Ihr Reichtum schmolz dahin, ihre Zukunft war ungewiss. Angesehene Zeitungen trösteten ihre gebeutelten Leser mit dem schadenfrohen Hinweis, dass die einstigen Stars der Bankenszene scharenweise ihre vergoldeten Arbeitsplätze in London oder New York verließen, um in der Provinz sichere und stressfreiere Aufgaben zu übernehmen. So auch Rottmayer.

    Ein befreundeter Bankier hatte ihn dem alten Waldenberg empfohlen, um die Bank in ein neues Zeitalter zu führen. Dem jungen Manager waren wundersame Erfolge nachgesagt worden. Sie hatten sich unter seinen Kunden so schnell ver breitet, wie es nur Geschichten rund ums Geld schaffen. Exzellente Arbeitszeugnisse bestätigten sein Wissen und seine Fähigkeiten.

       So wie zuvor in New York bewies Rottmayer auch auf dem Lande sein goldenes Händchen: Er gewann Millionen für die Bank und das Vertrauen des alten Waldenberg. Schon nach kurzer Zeit schien er alle Erwartungen zu erfüllen. Es dauerte nicht lange und er galt auch in Talstadt als „Wunderkind und Garant für die neue Zeit". Waldenberg war stolz auf seinen Neuzugang; er ernannte ihn bereits nach einem Jahr zum Geschäftsführer und Leiter der neugeschaffenen Abteilung „Eigenhandel". Fortan besaß Rottmayer weitgehende Handlungsvollmachten.

       Dabei passte der junge Bankier so gar nicht zu den ländlichen Klienten: Er kleidete sich auffällig, liebte schnelle Wagen und fuhr selbst einen weißen Porsche mit dem Kennzeichen TS-TR 111. Sein Luxusfahrzeug parkte er am liebsten vor dem prächtigen alten Bankgebäude mit der frisch geputzten Goldschrift, damit möglichst viele Talstadter das teure und auffallende Fahrzeug bewundern konnten. Auf seinem chromblitzenden Schreibtisch stand ein weißes Notebook, an seinem linken Handgelenk prangte eine goldene PatekPhilippe für mehr als 20.000 Euro.
       Waldenberg sah über das Prestige- und Markenbewusstsein Rottmayers hinweg; für ihn zählte das Engagement des jungen Bankiers.

       Doch der Wind hatte sich plötzlich an den internationalen Finanzmärkten gedreht. Er wuchs an zu einem Sturm, der besonders die kleinen Geldinstitute mit rauer Wucht erfasste. Denn immer mehr ihrer Kunden konnten ihre Kredite nicht zurückzahlen; den Banken fehlte das Geld.
       Die kleine Privatbank aus Talstadt war keine Ausnahme.

    Rottmayer stemmte sich mit waghalsigen Spekulationen gegen eine Überschuldung des Geldhauses und den drohenden Niedergang. Seine riskanten Manöver gingen jedoch nicht auf. In Panik riskierte er immer höhere Einsätze – am Ende standen Verluste von 31 Millionen Euro.
       Die Folgen für Waldenberg waren dramatisch; seine Bank rutschte in eine gefährliche Schieflage.
       Um die drohende Schließung zu vermeiden, musste Waldenberg den Fehlbetrag ausgleichen – doch er hatte das Geld nicht.

       Ein Ausweg führte zu Rottmayers langjährigem Freund und Kollegen
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