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Liebe bringt die höchsten Zinsen

Liebe bringt die höchsten Zinsen

Titel: Liebe bringt die höchsten Zinsen
Autoren: Egon F. Freiheit
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sie. Alleine würde sie sich hier verloren vorkommen.
       Schon als Kind hatte sie sich nicht immer wohl gefühlt in dem Haus, das so viel Macht ausstrahlte: Macht über das Land und seine Leute, Macht aber auch über seine Bewohner – auch über Stefanie.

       Sie dachte an ihre Mutter, die die Villa geliebt hatte. Das Haus und seine Ausstrahlung entsprachen ihrem Wesen und ihren Ansichten. Johanna Waldenberg hatte stets Wert gelegt auf Stil und Großzügigkeit, aber auch auf die Einhaltung von Vorsätzen und Lebensregeln. Sie waren so unverrückbar wie das Gemäuer der Villa und sie prägten Stefanies Erziehung zu Disziplin, Gehorsam und eisernem Durchhaltewillen.
       Nicht selten hätte sich Stefanie mehr Verständnis gewünscht für ihre eigenen Vorlieben; für Malerei und für übermütiges Umhertollen. Und auch für den kindlichen Eigensinn, der sie bisweilen beherrschte.
       Ganz anders ihr Vater, zu dem sich Stefanie zwangsläufig stärker hingezogen gefühlt hatte. Maximilian Waldenberg galt als Mann mit Verantwortungsgefühl und Gemeinsinn. Er hatte der Stadt einen Kindergarten gestiftet, regelmäßig die Sonntagsmesse besucht und im Kirchenchor begeistert mitgesungen.
       Seiner Tochter hatte er jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Zu ihrem 10. Geburtstag bekam sie ein ShetlandPony, das sie auf den Namen „Struwwelpeter" taufte. Und wenn sie mit Freunden feiern wollte, überraschte er sie mit der Anwesenheit der gesamten Schulklasse. Dabei hätte Stefanie am liebsten nur einen Mitschüler eingeladen: Giuseppe, den dunkelhaarigen Sohn eines Südtiroler Schreinermeisters, der mit den ersten Gastarbeitern nach Deutschland gekommen war.
       Giuseppe war, im Gegensatz zu Stefanie, ein schlechter Schüler. Aber er heckte die ausgefallensten Streiche aus, um ihr zu imponieren - und erntete dafür die erhoffte Bewunderung. Die „Tochter aus bestem Hause" war aber auch deshalb sein Schwarm, weil sie nicht selten mutig und schlagfertig die Klasse gegenüber den Lehrern vertreten hatte. Manchmal ein wenig provozierend, aber stets mit Hartnäckigkeit, die Interessen ihrer Klasse im Blick. Die Mitschüler dankten es ihr und wählten sie mehrmals zur Klassensprecherin.
       Für Stefanie wagte Giuseppe, was ihm einen Rauswurf aus der Schule hätte einbringen können: Als sie ihm anvertraute, dass ihr Pony krank sei und sie sich Sorgen machte, drückte er in einem unbeobachteten Augenblick den Feuermelder auf dem Schulgang im Erdgeschoss, so dass die Kinder evakuiert werden mussten. Ihre letzte Schulstunde fiel aus; Stefanie konnte nach Hause rennen.
       Ihr Pony lag auf der Seite im Stroh. Mit glasigen Augen blickte es Stefanie an. Weinend setzte sich das Mädchen zu „Struwwelpeter" und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Sie streichelte den Hals des geliebten Tieres, bis sie spürte, dass kein Leben mehr in ihm war.

       Giuseppe war für Stefanie mehr als nur ein Schulfreund, seit er sie eines Tages nach dem Unterricht nach Hause begleitet hatte. Der Junge war plötzlich stehengeblieben, hatte nach Stefanies Arm gegriffen und befohlen: „Augen zu und wegschauen!"
       „Was hast du vor?", wollte Stefanie wissen.
       „Überraschung...", antwortete Giuseppe vielsagend.
       Er pflückte zwei Mohnblumen, die am Wegesrand wuchsen, nahm Stefanie spontan in seine Arme und drückte ihr mit träumerischer Hingabe einen kindlichen Kuss auf die Wangen. Dann legte er die Blumen in ihre Hand und befahl: „Augen auf!"
       Stefanie lief puterrot an. Schüchtern hauchte sie ein „Dankeschön" und lief schnell ein paar Schritte voraus, damit der Junge ihre Verlegenheit nicht sehen konnte. Seitdem ließ sie sich von Mohnblumen verzaubern.
       Die erste Zuneigung endete abrupt, als Giuseppes Familie eines Tages Talstadt verließ und zurück nach Italien zog. Beide Kinder konnten ihre Abschiedstränen nicht zurückhalten.

       Stefanies größte Leidenschaft war die Malerei. Wenn die anderen Kinder Fangen spielten, versank sie in ihre Bilder und ließ sich forttragen von ihrer Phantasie. Nicht selten glaubte sie, den Duft der Blüten zu riechen, die sich im Licht der alpenländischen Frühlingssonne in leuchtenden Farben auf ihren Zeichenblättern entfalteten.
       Ihr Vater wusste um ihr Talent, mit Stift und Pinsel Stimmungen zum Ausdruck zu bringen und richtete ihr ein Studio unter dem Dach ein. Es war von Licht durchflutet und gewährte ihr gleichzeitig ungestörte Zuflucht,
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