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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen
Autoren: Horst Biernath
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Maschinenpistolen in der Hand meinem Versteck nähern, ja, und ich träume davon, daß mich der Alte verrät und daß ich...«, er brach plötzlich ab und warf die kaum angerauchte Zigarette auf die Straße.
    »Der alte Anselmo?!« rief Elisabeth, »der dich ins Haus geschleppt und der dich gefüttert und getränkt hat?«
    »Ach — im Traum verzerren und verändern sich die Dinge...«
    »Liebling, du hast einen Schock erlebt. Du wärest ein gutes Objekt für einen Psychoanalytiker. So etwas nennt man ein Trauma...«
    »Hör auf!« rief er lachend, »und spar dir dieses Thema lieber für die erste Gesellschaft auf, die wir unseren Freunden geben werden, wenn wir wieder daheim sind. Du wirst dankbare Zuhörer haben und in den Ruf kommen, eine äußerst interessante und unheimlich intelligente Frau zu sein. Aber sie werden auch ein wenig Angst um mich bekommen, ob ich solchen hohen geistigen Ansprüchen gewachsen bin.«
    »Ich höre ja schon auf, aber nur unter der Bedingung, daß du an der nächsten Abzweigung nach rechts fährst, einverstanden?«
    »Lieber Gott, willst du mich etwa von meinem Trauma heilen?«
    »Nein, Lorenz, ich möchte dich kennenlernen! — Und da wären wir also wieder beim Ausgangspunkt unseres Gespräches...«
    »Also schön«, sagte er mit einem kleinen Seufzer, »wie du willst. Dann werden wir also nach einer Stunde am Gardasee Forellen essen, aber, offen gesagt, mir wären die Veroneser Brathähnchen lieber gewesen...«
    »Fahr langsamer!« unterbrach sie ihn, »wir müssen jeden Augenblick an die Abzweigung kommen.«
    Wenige hundert Meter vor ihnen gabelte sich die Straße, und Lorenz bog in die Abzweigung ein, die das Etschtal quer durchschnitt und zwischen Monte Baldo und Stivio in einem großen Bogen über die Sarca nach Süden lief. Nach kurzer Fahrt stürzte die Straße steil ab, und vor ihnen blitzte, wie ein Edelstein in das Steilufer der Westküste und die sanfter ansteigenden, dunklen Bergrücken des Malcesine-Ufers gefaßt, der silbrigblaue Spiegel des Gardasees auf. Elisabeth stieß einen Ruf des Entzückens aus, und Lorenz bewegte die Hand mit einer runden Geste, als breite er seiner jungen Frau die schöne Landschaft als nachträgliches Hochzeitsgeschenk auf einem Gabentisch aus.
    »Du mit deinen Veroneser Brathähnchen und deinem Toskanerwein!« rief sie entrüstet, »und diesen Anblick wolltest du mir einfach unterschlagen?«
    Er murmelte, es sei keine Absicht dabei gewesen. Irgendeine Straße müsse man schließlich wählen. Und der Austritt aus dem Brenner, wo sich die Berge noch einmal zusammendrängen, um sich dann plötzlich überraschend zu öffnen, sei als Bild für seinen Geschmack nicht weniger reizvoll als dieses Ansichtspostkarten-Panorama. »Wo liegt Gargnano, rechts oder links?«
    Er hielt für eine Zigarettenlänge und deutete zum rechten Ufer hin, wo der Monte Gargnano fast über dem See zu hängen schien. Sie brachen nach kurzer Rast auf, durchfuhren Riva und befanden sich bald auf der westlichen Uferstraße, die so traumhaft schön ist, als sei sie eigens für Hochzeitsreisende und Verliebte aus dem Fels gesprengt worden. Hoch über dem Spiegel des Sees wand sie sich neben steil ansteigendem, leuchtendem Gestein dahin, das ebenso schroff in den See abfiel, verschwand für lange Strecken im Felsen, wo es durch die durchbrochenen festungsartigen Rundbögen der Galerie immer neue, reizvoll wechselnde Ausblicke auf das östliche Ufer mit dem hohen Kegel des Monte Baldo gab. Dann wiederum traten die Felsen ein wenig weiter zurück und hatten den Erbauern der Straße Gelegenheit gegeben, eine Gruppe dunkler Zypressen anzupflanzen, in deren Schatten kleine Parkplätze zum Verweilen einluden. Oder es blühten dort, rosig überschäumt, unbekannte Bäume und Sträucher, und die niedrigen Steinmauern, die die Fahrbahn gegen den See einfaßten, leuchteten, von Steingewächsen und Schlingpflanzen überwuchert, bunt und glühend auf.
    Sie waren auf der schmalen Straße in eine endlose Kolonne von Autos und Omnibussen geraten, die alle nach Süden rollten.
    »Wenn all diese Leute nach Gargnano wollen, dann werden wir uns wohl ein Zelt kaufen müssen, Liebling«, sagte Elisabeth ein wenig verzagt.
    Lorenz war es gelungen, sich hinter einen Omnibus zu klemmen, dem er in geringem Abstand folgte. Es war ein deutscher Bus mit einer Fracht zumeist junger Frauen, deren Gesichtern man die Blässe eines langen Arbeitsjahres und den Erlebnishunger kurzer Urlaubstage ansah. Das
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