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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen
Autoren: Horst Biernath
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es nur, Elisabeth nicht eine der glanzvollen Verdi-Aufführungen zeigen zu können, die alljährlich im August in der Arena unter freiem Himmel stattfinden. Elisabeth kannte Verona nur flüchtig, wie sie alles nur flüchtig kannte, was für Marcus Winckler nur auf dem Wege zu irgendeinem Ziel lag. Zweimal in den letzten Jahren war dieses Ziel Ischia gewesen, wo der alte Herr eine beginnende Arthritis in der linken Hüfte einigermaßen erfolgreich in den heißen Quellen bekämpft hatte. Nach der Kur, wenn die Nervosität ein wenig abklang, war er umgänglicher, aber dann hetzte ihn das wochenlang vernachlässigte Unternehmen, das er vom Untergang bedroht sah, wenn er es einmal aus den Augen ließ, doch wieder im gleichen Tempo nach Hause zurück. Für Elisabeth als Reisemarschall waren diese Wochen kein reines Vergnügen gewesen.
    »Eins verspreche ich dir feierlich«, sagte Lorenz und hob die Schwurhand, »ich werde für dich Zeit haben. Natürlich, ich bin ziemlich ehrgeizig und geldgierig, aber wiederum nicht so sehr, daß ich für Geld meine Seele verkaufen würde. Wir werden etwas vom Leben haben. Wir werden gute Bücher lesen, Konzerte hören, interessante Theaterstücke sehen, und wir werden ab und zu miteinander eine anständige Flasche Wein trinken und im Jahr ein paar Wochen Urlaub machen. Zum Teufel noch mal, aber das ist doch schließlich der Zweck des Geldverdienens, meinst du nicht auch?«
    Das Tal der Etsch öffnete sich immer weiter. Die Straße, fast ständig fallend, blendete die Augen, und die kochende Luft über dem Asphalt waberte wie geschmolzenes Glas. An den Pappeln bewegte sich kein Blatt.
    »Die alte Straße...«, sagte Lorenz plötzlich und bewegte den Kopf, als nicke er einer alten Erinnerung zu. »Es sind jetzt zwölf Jahre her, und es war genau solch ein strahlendes Wetter wie heute, als wir in Rovereto zum letztenmal verladen wurden, um endlich heimgeschickt zu werden. Vorbei, vorbei... Gott sei Dank!«
    »Ich erinnere mich... Du sprachst einmal mit Vater darüber, daß du in italienischer Kriegsgefangenschaft warst...«
    »Männer können es nun einmal nicht lassen, aber es ist wahrhaftig kein Unterhaltungsstoff für dich. Und außerdem gibt es da nicht viel zu erzählen. Wir wurden, als es zu Ende ging, pausenlos gejagt — von Nettuno bis in die Nähe von Genua. Ein richtiges Heldenlied kann man daraus eigentlich nicht machen...«
    »Und auf diesem Rückzug wurdest du verwundet?«
    »Ja, in Gargnano, einem kleinen Nest am Gardasee. Die Truppe hatte sich längst aufgelöst. Der größte Teil meiner Abteilung war in ein Lager bei Chiavari marschiert. Ich versuchte, mich auf eigene Faust nach Norden durchzuschlagen. Ich hatte mir Zivilkleider besorgt und hoffte durchzukommen, weil ich perfekt Italienisch sprach, sogar mit Veroneser Dialekt. Bei Gargnano wurden wir dann erwischt und bekamen Feuer...«
    »War dein Freund Paul Borngräber dort dabei?«
    »Nein, nein! Paule erwischte es schon viel früher. Ein reiner Zufall, daß wir sechs oder sieben Jahre nach dem Krieg wieder voneinander hörten. Damals bei Gargnano hatte ich einen anderen Kameraden dabei. Ich lernte ihn erst später kennen, als ich mich längst von der Truppe abgesetzt hatte. Er hieß Ernst Becker — und fiel bei dem Überfall. Ich bekam einen Schuß in den Oberschenkel und konnte mich noch über eine Mauer schwingen und in ein Gebüsch schleppen. Sonst wäre ich wohl auch dran gewesen. Aber als sie ihn fanden, gaben sie die Suche nach mir auf.«
    »Und wie bist du weitergekommen?«
    »Ach, das ist eine ganze Geschichte. — Ich kam nicht weiter. Ich blieb liegen. Ich hatte einen starken Blutverlust und wurde ohnmächtig. Und als ich wieder zu mir kam, da lag ich in einem finsteren Steinloch auf einem Strohlager, das Bein war verbunden, und neben mir stand ein Tonkrug mit Wasser. Es war eine Gerätekammer, in der ich lag. Um mich herum hingen und standen Spaten, Hauen und Rechen. Und in diesem Steinsarg, der allerdings den Vorzug hatte, einigermaßen kühl zu sein, verbrachte ich mehr als zwei Monate. So lange jedenfalls, bis die Gemüter sich ein wenig beruhigt hatten und ich mich ohne Gefahr beim Podestà von Gargnano melden konnte. Zwei Karabinieri brachten mich dann in ein Lager bei Verona.«
    »Mein Gott! Und das erzählst du mir erst jetzt? — Wer war es, der dich gerettet hat?«
    Ein Lastzug überholte sie mit ohrenbetäubendem Hupengeheul. Man spürte die Schwingungen des Horns auf der Haut und bis in den Magen
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