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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen
Autoren: Horst Biernath
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auseinander. Das Land öffnete sich, die Berge, auf deren Häuptern noch Schnee lag, traten zurück, und Wein und Mais, noch jung in Laub und Wuchs, drängten sich an die Straße heran. Lorenz fuhr langsam weiter, hielt sich hart rechts und ließ sich von vielen Fahrzeugen überholen.
    »Wir waren drei Jahre verlobt...«
    »Ja«, nickte er, »dein Marcus hat uns lange beizen lassen...«
    »Drei Jahre lang haben wir uns bemüht, einander die Fotografierseite zu zeigen...«
    »Ich meine, du irrst dich, wenn du glaubst, daß ich dir eine Rolle vorgespielt habe.«
    »Das wollte ich damit nicht sagen, aber du wirst doch nicht behaupten wollen, daß wir bisher mehr als unsere Oberfläche angekratzt haben, nicht wahr?«
    »Hm...«, murmelte er und hob ein wenig die Schultern.
    »Ich finde, diese Reise ist für uns die erste Gelegenheit, uns wirklich kennenzulernen.«
    »Nun ja, gewiß... Aber glaubst du, mein Herz, daß wir nach vier oder fünf Wochen sehr viel mehr voneinander wissen werden?«
    »Davon bin ich überzeugt...«
    »Und davor hast du Furcht?«
    »Nein, wirklich nicht. — Aber wenn ich mich frage, was ich eigentlich von dir weiß, oh, Lorenz!«
    »Lieber Gott!« rief er und sah sie für einen Augenblick einigermaßen bestürzt von der Seite an, »wenn du vor der Zukunft also keine Furcht hast, dann willst du damit doch nicht etwa sagen, daß du dir Gedanken über die Vergangenheit machst!«
    »Ich bin schrecklich eifersüchtig!« sagte sie heftig.
    »Wenn es das ist, dann kann ich dich beruhigen. Du hast wirklich keinen Grund, eifersüchtig zu sein.«
    »Du hast doch Freundinnen gehabt, nicht wahr? Ich bin doch bestimmt nicht die erste Frau, die du liebst!«
    »Du bist die erste Frau, die ich geheiratet habe«, sagte er mit einem schwachen Versuch zu scherzen, »und ganz gewiß die einzige, die ich heiraten wollte. Und alles andere, was sonst gewesen ist, liegt so lange zurück, daß es beinahe schon nicht mehr wahr ist. Genügt dir das, mein Herz?«
    »Du sagst: beinahe schon nicht mehr wahr... Also besteht doch irgendeine Möglichkeit, daß ich einer von diesen Frauen irgendwann einmal begegne... Oder ist das ausgeschlossen?«
    »Ich halte es für ziemlich unmöglich«, sagte er kopfschüttelnd und rieb sich das Kinn, als fände er, es sei nun allmählich an der Zeit, dieses ein wenig unbehagliche Gespräch zu beenden.
    »Daß du in Italien davor sicher bist, davon bin ich allerdings auch überzeugt«, sagte sie mit einer Hartnäckigkeit, die er an ihr zum erstenmal bemerkte. »Aber wie steht es damit, wenn wir erst wieder daheim sind?«
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er mit der liebenswürdigen Miene und gewinnenden Stimme, mit der er im Beruf einen schwierigen Prozeßgegner von den Vorteilen eines außergerichtlichen Vergleichs zu überzeugen versuchte, »laß uns wieder davon reden, wenn wir daheim sind und wenn du glaubst, zu einer hübschen kleinen Eifersuchtsszene einen reellen Grund gefunden zu haben. An und für sich finde ich deine Eifersucht recht schmeichelhaft für mich. So — und jetzt möchte ich dich küssen!«
    Er stoppte den Wagen so rasch ab, daß ein Fahrzeug hinter ihnen wütend hupte.
    »Im offenen Wagen und mitten auf der Straße!« protestierte Elisabeth schwach.
    Ein Lastwagen mit einem Horn, das die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht hätte, vermochte ihn ebensowenig zu stören wie das Gebrüll des Beifahrers, der sich mit halbem Oberkörper durch das Fenster zwängte und ihnen mit beiden Armen zuwinkte.
    »Du bist wirklich verrückt!« sagte sie nach einer kleinen Weile atemlos, aber sie schien es nicht unangenehm zu finden, ein wenig verrückt zu sein.
    In Bozen tranken sie im Vorgarten des »Greifen« einen Gespritzten und aßen eine Kleinigkeit, weil der Tag für das Menü, das ihnen der Kellner empfahl, viel zu warm war. Dafür kaufte Elisabeth ein Kilo Herzkirschen ein, deren Steine sie auf die Straße spuckten, die an der Etsch entlang über Trient und Rovereto nach Verona führte. Es war ein hübscher Gedanke, mit Elisabeth auf der Piazza d’Erbe vor einer der großen Cafeterias zu sitzen, einen Espresso zu trinken oder ein Granita zu schlürfen und den abendlichen Corso zu beobachten, oder das Aufflammen der Scheinwerfer, die die Fassade der Arena des Diokletian anstrahlten. Lorenz hatte eine Vorliebe für Verona; vielleicht war es nur ein persönlicher Eindruck, aber von allen italienischen Städten erschien ihm Verona als die italienischste. Er bedauerte
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