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Liebe auf den zweiten Blick

Liebe auf den zweiten Blick

Titel: Liebe auf den zweiten Blick
Autoren: Sharon Sala
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altjüngferlichen Tanten zu leben —
    genauso wie Amelias Ankunft ein Schock für ihre Tanten war. Aber die Beauchamps waren eine zuverlässige Familie. Was notwendig war, wurde getan. Amelia hatte sonst niemanden mehr, also war klar, dass sie blieb. Und so hatten die Tanten begonnen, ihre Nichte
    zumindest äußerlich in eine jüngere Version ihrer selbst zu verwandeln.
    Trotzdem gelang es Amelia, sich ihr offenes Wesen zu bewahren. Während ihrer Zeit auf dem College in Savannah genoss sie sogar eine gewisse Unabhängigkeit. In dieser Zeit führte sie ein relativ normales gesellschaftliches Leben und hatte sogar einen ernsthaften Verehrer, der ihr erhalten blieb, bis sie ihm ihre Tanten vorstellte.
    Amelia nahm an, dass er in die Zukunft geblickt und dort nicht bloß eine Ehefrau, sondern auch zwei ältliche Verwandte gesehen hatte, um die er sich würde kümmern müssen.
    Daraufhin hatte er die Flucht ergriffen..
    Nach dieser Enttäuschung war Amelie nach Tulip zurückgekehrt und hatte sich im Laufe der Zeit unbewusst mehr und mehr ihren Tanten angeglichen. Sie hatte angefangen, sich wie sie zu kleiden und benahm sich auch wie sie. Sogar ihre Zukunft hatte sie von ihnen planen lassen.
    Die Zeit hatte ihr gebrochenes Herz geheilt. Das Einzige, was sich nicht wiederherstellen ließ, war ihre Jungfräulichkeit. Doch darüber war sie froh. Sie hätte es gehasst, nicht nur eine alte Jungfer zu werden, sondern auch tatsächlich Jungfrau zu sein.
    Irgendwann war ihr klar geworden, wie ihr Leben vermutlich aussehen würde in zwanzig, dreißig, sogar in vierzig Jahren. Sie konnte sich sehen, in diesem Haus, in derselben Stadt, mit der immer gleichen unauffälligen Kleidung - und immer allein. Sie liebte ihre Tanten sehr, aber sie hatte keineswegs die Absicht, wie sie zu enden. Sie wollte Abenteuer erleben und Aufregung. Sie wollte aus Tulip wegkönnen, wann immer sie Lust dazu hatte.
    Deshalb brauchte sie ein neues Auto, doch das ließ sich vom Gehalt einer Bibliothekarin nicht finanzieren. Für die Beauchamp-Schwestern war der alte blaue Chrysler ausreichend, aber mit einem dreißig Jahre alten Wagen konnte Amelia nicht das Land bereisen.
    Amelia war klar, dass ihre Tante erneut rufen würde, wenn sie sich nicht beeilte, also ging sie ins Bad. In Windeseile war sie angezogen, wobei sie ignorierte, dass das beigefarbene Hemdblusenkleid nicht gerade die günstigste Wahl für sie war.
    Das Gesicht der letzten Nacht, das ihr eine geheime Freude bereitet hatte, das, mit dem sie gewagt hatte, anders zu sein und zu lachen, hatte sich zusammen mit ihrer Frisur gewandelt. Nun wirkte sie brav und sittsam.
    Sie steckte ihr Haar auf, verzichtete völlig auf Make-up und benutzte nur etwas
    Feuchtigkeitscreme und einen Hauch pinkfarbenen Lippenstift. Zum Schluss setzte sie ihre Hornbrille, dann ging sie die Treppe hinunter. Es war Zeit für Miss Amelia, ihren Tag in der Stadtbibliothek zu beginnen.
    „Setz dich, Mädchen.” Wilhemina stellte ihr einen Teller mit frisch gebackenen Brötchen hin.
    Amelia schob ihn beiseite. „Danke, Tante Witty, aber ich habe keinen Hunger.”
    Wilhemina Beauchamp hob eine Augenbraue. Das genügte. Während Amelia zu essen
    begann, lächelte sie ihre Tante Rosemary an, die gerade ihre zweite Tasse Kaffee trank und aus dem Fenster starrte.
    „Morgen, Tante Rosie”, sagte Amelia mit vollem Mund.
    Rosemary blinzelte, als sie so in ihren Tagträumen gestört wurde, dann lächelte sie.
    „Man spricht nicht mit vollem Mund”, bemerkte Wilhemina.
    „Sei still, Willy!” Rosemary tätschelte Amelia den Arm und schob ihr das Glas mit der selbst gemachten Pfirsichmarmelade hin. „Lass das Mädchen ausnahmsweise mal in Ruhe essen.”
    „Ich sage dir schon seit achtzig Jahren immer wieder, dass ich nicht Willy heiße.”
    Rosemary schob die Unterlippe vor. „Aber Amelia nennt dich …”
    „Ich weiß. Als sie klein war, war mein Name für sie zu schwer auszusprechen, so dass ich ihr erlaubt habe, ihn abzukürzen. Und außerdem ist es deine Schuld. Sie dachte immer, du würdest mich Witty nennen, nicht Willy. Jetzt ist es zu spät, das noch zu ändern. Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen.”
    Amelia hatte genug, sowohl von den Brötchen als auch vom Streit. „Wir sehen uns heute Abend.”
    Während sie zur Bibliothek fuhr, spürte sie einen Anflug von Aufregung. Sie unternahm die ersten Schritte, um ihr Leben zu verändern. Ihre Arbeit als Kellnerin in einem Nachtclub war allerdings eher
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