Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt
Autoren: Paul Walz
Vom Netzwerk:
Bitter und resigniert. »Ich hätte sie verstanden. Dann ist da noch ihre Freundschaft mit Christoph zerbrochen. Damals, ja, damals hätte ich mir keine Gedanken gemacht, aber heute.« Sie wandte sich gedankenverloren ab und ihre Augen wanderten zu Claudias Bild.
    »Was ist heute?«, hakte Lichthaus nach. Marianne Schneider drehte sich wieder herum, sie riss sich zusammen.
    »Verzeihen Sie. Eva hat mittlerweile Oliver kennengelernt. Ein netter Junge. Sie ist wie verrückt nach ihm. Die große Liebe. Wissen Sie, für Eva hängt der Himmel voller Geigen. Nächsten Monat beginnt das Studium. Da kann sie den ganzen Tag in Olivers Nähe sein, neue Leute treffen und so weiter. Einfach nur leben. Wieso sollte sie weglaufen?« Sie sah ihn fragend an.
    Lichthaus hob leicht die Schultern. Er sah ein, dass Marianne Schneiders Argumente auf den ersten Blick zogen, doch zu häufig hatte er den Kern des Problems in Details gefunden, die vor allem dem unmittelbaren Umfeld verborgen geblieben waren. »Wir müssen das prüfen. Was haben Sie am Sonntag unternommen?«
    »Telefoniert. Den ganzen Tag. Mit jedem, der uns eingefallen ist. Nichts, keine Spur.« Sie machte eine Pause. Dann wurde ihre Stimme hohl von unterdrücktem Schmerz. »Mein Mann ist noch am Abend kollabiert. Wenn Eva etwas passiert ist, verkraftet er das nicht. Er vergöttert sie. Sie gibt ihm immer wieder Kraft, muntert ihn auf.« Wieder stockte ihre Stimme. »Sie kann doch nicht einfach weg sein, in Luft aufgelöst?« Marianne Schneider schüttelte impulsiv den Kopf. »Was soll ich denn nur ohne sie machen? Sie müssen sie finden!« Tränen glitzerten in ihren Augen.
    Er zögerte einen Augenblick. In ihrem Blick las er die Hoffnung, die sie in ihn setzte.
    »Frau Schneider, wir werden die Suche sofort aufnehmen. Doch Sie müssen uns helfen. Jedes noch so unwichtig erscheinende Detail kann von Bedeutung sein. Denken Sie bitte nach! Wir brauchen Namen und Adressen von Freunden, Verwandten und so weiter und so weiter. Ist da jemand Neues, hat sie etwas erzählt? Außerdem sollten Sie nicht vom Schlimmsten ausgehen. Sehen Sie, in Berlin verschwinden im Jahr rund dreieinhalbtausend Personen, von denen bis auf etwa fünf alle wohlbehalten wieder auftauchen.«
    Marianne Schneider winkte ab. »Lassen Sie mich mit Ihren Statistiken in Ruhe. Was ist, wenn sie eine von den Fünfen ist?«
    »Okay. Sie haben Recht. Ich informiere Sie jederzeit über den Stand der Dinge. Sie sollten sich noch keine allzu großen Sorgen machen.«
    Sie lächelte ihn verhalten an. »Danke. Jetzt fühle ich mich nicht mehr so allein mit meinen Sorgen. Ich denke, Sie verstehen mich.« Lichthaus nickte.
    »Was ich außerdem brauche, sind die Adresse des Exfreundes Ihrer Tochter, eine Beschreibung ihrer Kleidung und ein aktuelles Foto.« Er hätte noch gern nach Fingerabdrücken gefragt, doch er unterließ es.
    Marianne Schneider erhob sich. Ihr Lächeln war verblasst, doch wirkte sie ein wenig zuversichtlicher. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.« Wieder stauten sich Tränen in ihren Augen.
    Lichthaus nickte nur.
    Dann ging sie.
    »Arme Frau.« Scherer stieß die Luft aus aufgeblasenen Backen heraus.
    »Das kannst du wohl sagen. Ich darf gar nicht daran denken, wenn Henriette … Um zwölf treffen wir uns, ich gebe den Kollegen Bescheid. Das sieht nicht gut aus. Wir starten eine Fahndung, auch wenn es noch etwas früh ist.«
    *
    Später ging Lichthaus bei seinem dienstältesten Kollegen vorbei. Kommissar Holger Steinrausch hatte dreiundzwanzig seiner einunddreißig Dienstjahre bei der Kripo Trier verbracht. Lichthaus fand ihn stark schwitzend über irgendwelchen Papieren vor. Trotz der Hitze trug er eine Krawatte, die er aber am Knoten weit aufgezogen hatte. Auf dem Tisch lief bereits um diese frühe Stunde ein Ventilator, in dessen Luftzug sich auf der einen Seite ein mit seiner Dienstwaffe beschwerter Papierstapel bewegte und auf der anderen Seite die Akte aufgeblättert wurde, in der Steinrausch gerade las.
    Er schaute nur kurz auf, als Lichthaus eintrat. »Morgen. Wie können diese idiotischen Touris so dämlich sein und vierhundert Euro lose in der Gesäßtasche, also am Hintern, mit sich herumschleppen? Da greift so ein Taschendieb rein wie andere morgens in den Brotkorb, und ich kann jetzt die ganze Scheiße ausbaden. Verdacht auf organisierte Kriminalität. Blödsinn.« Er blickte Lichthaus um Zustimmung heischend an, der hob aber nur die Schultern. Steinrausch lehnte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher