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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt
Autoren: Paul Walz
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selbst mit ironischem Unterton als seriell monogam, wobei Lichthaus es aufgegeben hatte, sich die Namen der vielen, durchweg hübschen Mädchen zu merken. Er lehnte sich zurück.
    »Gab’s in den drei Wochen nur die paar Fälle?« Er deutete auf den kleinen Aktenstapel.
    »Ja, die Kapitalverbrecher sind wohl auch in Urlaub.« Scherer grinste. »Gestern sind zwar einige Taschendiebstähle reingekommen, die liegen aber auf Steinrauschs Tisch.«
    »Ich werde nachher mal rübergehen. Wer war eigentlich die Frau bei dir? Ich glaube, die kenne ich.«
    »Deswegen bin ich auch hier. Sie heißt Marianne Schneider. Ihre Tochter ist seit Samstag verschwunden.«
    »Da müsste sie doch zur Vermisstenstelle.«
    »Das habe ich ihr auch gesagt, aber sie hat an der Pforte darauf bestanden, mit dir zu sprechen. Ich war aber der Einzige, der schon da war.« Scherer schaute etwas bedauernd.
    »Wieso will sie ausgerechnet mit mir sprechen?« Lichthaus dachte einen Augenblick nach und zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, die Tochter ist nicht mehr klein, sonst wäre sie ja wohl eher gekommen. Aber das Mädchen ist noch keine zwei Tage weg. So was passiert doch laufend.«
    »Nur nicht bei ihrer Tochter. Die gilt als absolut zuverlässig, ist neunzehn, frisch verliebt und hat sich neulich erst an der Uni angemeldet.«
    »Eingeschrieben.«
    »Genau. Es gab keinen Streit oder so. Sie versteht also nicht, warum das Mädchen abhauen sollte. Eva, das ist ihr Name, ist nachts noch von ihrem Freund aus mit dem Fahrrad nach Hause gefahren und seitdem nicht mehr gesehen worden. Frau Schneider hat gestern stundenlang gesucht und telefoniert, leider ohne Erfolg. Sie ist voller Panik und daher heute Morgen gleich hergekommen.«
    Lichthaus hob die Augenbrauen. »Okay, leite den Vorgang an die Vermisstenstelle weiter, aber halt ein Auge drauf, das klingt nicht gut.«
    »Frau Schneider wartet noch draußen und will mit dir sprechen. Sie sagt, sie würde dich kennen und hätte mal ein Bild von Claudia gekauft.«
    Plötzlich war alles wieder da. Claudias erste Ausstellung in Trier. Sie hatte die Werke unter das Thema »Gegensätze« gestellt und auch das Bild mit den sich ansehenden Gesichtern aus dem Wohnzimmer mitgebracht. Marianne Schneider kam zu der Ausstellung und wollte es unbedingt kaufen. Sie sah darin eine Spiegelung ihrer Lebenssituation. Er erinnerte sich, dass sie darin die Kraft zu finden hoffte, die ihr die Krebserkrankung ihres Mannes abverlangte. Aber es gehörte Lichthaus, Claudia hatte es ihm geschenkt, und er wollte es nicht hergeben. Mehrfach hatte sie bei Lichthaus angerufen, und schließlich hatte Claudia das Bild kopiert.
    Er atmete tief ein. Das fing ja gut an. »Also gut, bring sie rein.«
    Marianne Schneider betrat vorsichtig den Raum und begrüßte Lichthaus, der ihr einen Platz anbot. Angespannt und gleichzeitig erwartungsvoll sah sie ihn an. Ihm fielen die tiefen Falten auf, die der Krebs ihres Mannes um Mund und Augen herum gegraben hatte. Die Kleider wirkten zu weit.
    »Der Kollege Scherer hat mir erzählt, dass Sie Ihre Tochter seit Samstagabend vermissen und Sie von einem Verbrechen ausgehen. Wie kommen Sie darauf?« Marianne Schneider straffte sich ein wenig, ihre Stimme war belegt, als sie leise zu sprechen anfing.
    »Eigentlich ist sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag verschwunden. Sie wollte von Oliver – das ist ihr Freund – nach Hause gehen, so um zwei, vielleicht drei Uhr.« Als sie Lichthaus’ überraschten Blick sah, fuhr sie fort: »Mein Mann mag es nicht, wenn sie woanders übernachtet. Nun ja, wir haben uns nicht viel dabei gedacht, als sie am Sonntagmorgen doch nicht da war. Das kam ja hier und da mal vor. Gegen Mittag dann rief Oliver an, um Eva zu sprechen. Irgendwie wusste ich sofort, dass was passiert ist.«
    Lichthaus hatte sich auf einem Block Notizen gemacht. »Nun, das ist ja nicht sicher«, meinte er beruhigend. »Haben wir die Adresse von ihrem Freund?« Marianne Schneider nannte sie ihm und Lichthaus fragte weiter.
    »Also noch mal, wie kommen Sie darauf, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte? Kann es denn keine andere Erklärung geben?«
    »Nein.«
    »Vielleicht will sie sich einfach einmal zurückziehen? Hat es Streit gegeben mit Ihnen, dem Freund oder sonst wem?«
    »Nein. Vor einem halben Jahr hätte ich gesagt, sie sei weggelaufen. Die Situation zu Hause ist schwer für sie. Mein Mann ist im finalen Stadium seiner Krebserkrankung. Das belastet.« Sie schaute Lichthaus direkt an.
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