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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt
Autoren: Paul Walz
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antaten, widerte ihn an. Draußen vor dem Haus atmete er noch einmal tief die saubere Luft ein und machte sich auf den Weg.
    *
    Noch vor acht Uhr erreichte er das Präsidium. Der Verkehr war, wie meistens in den Sommerferien, nur dünn dahingetröpfelt, so dass ihm der übliche Stau erspart geblieben war. Seine Dienststelle befand sich in einem langgezogenen Block in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof. In den wenigen Jahren in Trier war dies nun das dritte Gebäude in dem die Kriminaldirektion untergebracht war und er hatte die Umzüge satt. Erst war das eigentliche Präsidium mit Umweltgiften verseucht gewesen, so dass man es in die Salvianstraße verlegt hatte. Dann hatte man von der Post das alte Verwaltungsgebäude erworben und hier einige Dienststellen samt Präsident zusammengezogen. Andere Abteilungen verteilten sich über die ganze Stadt, was das Zusammenarbeiten nicht unbedingt erleichterte.
    Lichthaus’ Büro lag im zweiten Stock. Er stieg die Treppe nach oben und folgte dem Flur. Es war sehr ruhig an diesem Morgen. Einige Kollegen waren wohl in den Ferien, andere noch nicht da. Wie so oft nach einem ereignisreichen Urlaub überraschte es ihn, dass sich nichts verändert hatte. Der dumpfe Geruch nach Putzmitteln, die Geräusche aus den besetzten Büros, einfach alles war wie vorher und schien auch in alle Ewigkeit so zu bleiben. Sein Leben war gerast in den vergangenen drei Wochen. Er glaubte, ein halbes Jahr fort gewesen zu sein, doch hier in diesem schmucklosen Gang holte ihn der Alltag ein. Das langsame Mahlen der Behörde hatte ihn wieder.
    Während er seinen Gedanken nachhing, öffnete sich eine Tür und Thomas Scherer trat in Begleitung einer Frau mittleren Alters auf den Gang. Er lächelte und nickte kurz, als die beiden an ihm vorbeigingen, ohne ihn richtig zu bemerken. Die Frau war geschmackvoll gekleidet, schlank und relativ klein, so dass sie neben Lichthaus’ großgewachsenem Kollegen fast verschwand. Lichthaus schätzte sie auf Mitte bis Ende vierzig. Sie kam ihm bekannt vor, und er fragte sich unwillkürlich, was sie hierher geführt haben mochte.
    In seinem Büro roch er den Mief der letzten Wochen und nutzte die Gelegenheit, noch kurz zu lüften, bevor später die Sonne hereinknallen würde. Der Raum war schmucklos funktional mit Schreibtisch, Aktenschrank und einer kleinen Besprechungsecke eingerichtet. An den Wänden hingen zwei von Claudias großflächigen Bildern, die sie bei ihrem zweiten Besuch mitgebracht hatte. In dieser Kaserne, wie sie das Präsidium beharrlich nannte, brauchte er wenigstens eine optische Aufheiterung, hatte sie gesagt.
    Auf dem Tisch lagen ein kleiner Stapel Akten und eine Flut von Rundschreiben, Terminerinnerungen und Telefonnotizen. Die losen Papiere schob er weit weg und widmete sich den wenigen Vorgängen, die seine Kollegen ihm zur Durchsicht bereitgelegt hatten. Eigentlich war wenig passiert. Man hatte ein Räubertrio festgenommen, das auf Campingplätzen Wohnwagen aufgebrochen hatte. Rumänen, arme Schlucker, die der Versuchung des leicht verdienten Geldes erlegen und schnell geschnappt worden waren. Die seit Monaten laufenden Ermittlungen gegen einen Drogenring hingegen traten auf der Stelle.
    »Guten Morgen.«
    Ohne vorher anzuklopfen, war Scherer hereingekommen. Er sah gut aus mit seinen hellen Haaren und den strahlend blauen Augen und er besaß die Gabe, entwaffnend zu lächeln. Böse Zungen im Haus nannten ihn neidvoll »Kommissar Ladykiller«.
    »Herzlichen Glückwunsch zur Geburt eurer Tochter!« Er strahlte Lichthaus an, schüttelte ihm die Hand und überreichte ihm ein Päckchen.
    Lichthaus lächelte. »Setz dich doch.« Scherer war der Einzige, mit dem er sich duzte. Nachdem er selbst vor gut drei Jahren als Neuling in Trier angefangen hatte, war Scherer wenig später als das zweite neue Gesicht ins Team gekommen. Mittlerweile war aus dem kollegialen Verhältnis eine echte Freundschaft geworden. Lichthaus riss das Päckchen auf und hielt eine hübsche Kinderrassel mit knallbuntem Clownskopf in der Hand.
    »Ich wusste nicht, ob die Farben unbedingt das Richtige für euch sind, aber im Laden haben sie mir versichert, dass kleine Kinder vernarrt sind in alles Bunte.« Er schien ein wenig verlegen.
    Lichthaus grinste breit. »Das hätte ich gerne gesehen: Thomas Scherer in der Terra incognita Spielzeugladen.« Er begann zu rasseln. In seinem Innersten freute er sich. Eigentlich war Familie kein Thema für seinen Freund und Kollegen. Er bezeichnete sich
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