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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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der damaligen Studie - heute dazu? In einem Interview mit der »Zeit« antwortet er unter anderem: »Ich bin heute in der Wachstumsdebatte nicht mehr so engagiert wie vor 25 Jahren. Ich betrachte den Lauf der Dinge eher wie ein interessierter Zuschauer bei einem Schachspiel. Niemand kann sich 25 Jahre lang von ganzem Herzen mit dem Kollaps des Planeten beschäftigen.« Besonders dann nicht, wenn der Kollaps nicht eintritt. Es scheint fast so, als sei Dennis Meadows ob dieser Tatsache ein wenig beleidigt, denn prinzipiell sieht er sich nach wie vor völlig im Recht: »Als Systemanalytiker kann ich nicht erkennen, wie der globale Kollaps vermieden werden sollte. Es wäre allerdings nicht einmal der erste Kollaps. Denken Sie nur an die Zeiten der Pest in Europa.« Und genau an diesem Punkt unterscheidet sich die Argumentation des Systemanalytikers Dennis Meadows in nichts mehr von der eines Zeugen Jehovas.
    Man sollte nun glauben, daß jemand, der in der Vergangenheit so gnadenlos falsch lag, für die Zukunft nicht sonderlich ernst genommen wird. Interessanterweise ist das Gegenteil der Fall: Die Tatsache, daß der Weltuntergang bislang nicht eingetreten ist, erhöht für viele Menschen offenbar die Wahrscheinlichkeit, daß er es bald tun wird. Irgendwann muß es ja soweit sein. Oder, um es in den Worten von Ludwig Erhard zu sagen: »Man verzeiht dem falschen Propheten, wenn's besser kommt als vorausgesagt.«
    Wissenschaftler, die in den siebziger Jahren richtig lagen, also beispielsweise für die Jahrtausendwende billige und reichliche Rohstoffe voraussagten, wurden damals verlacht. Und heute glaubt ihnen erst recht niemand; die Tatsache, daß sie recht hatten, spricht gegen sie. Motto: Das kann doch auf Dauer nicht gutgehen. Der Ökonom Julian Simon und der Politologe Aaron Wildavsky (beide kürzlich verstorben) zählen zu denjenigen, die in den siebziger Jahren die Ressourcen-Entwicklung richtig eingeschätzt hatten. Wir begehen in diesem Buch den schweren Fauxpas, auch solche Wissenschaftler zu Wort kommen zu lassen, die recht hatten.
    »Es gibt Theorien«, schreibt der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg, »denen eine Art ewiges Leben beschieden ist, obwohl ihre Unrichtigkeit offen zutage liegt.« Birg zielt damit auf das Malthussche Gesetz, daß die Bevölkerung naturgesetzlich schneller wachse, als die zu ihrer Ernährung notwendigen Ernteerträge gesteigert werden könnten. »Als in den achtziger Jahren immer klarer wurde«, sagt Birg, »daß die von Natur aus gesetzte Nahrungsschranke (nicht die auf Politikversagen beruhenden Versäumnisse der Nahrungsproduktion und ihrer Verteilung) trotz der Bevölkerungsexplosion noch in weiter Ferne liegt - wenn es eine solche überhaupt gibt -, übernahm die Ressourcenschranke die Rolle der Nahrungsschranke in der malthusianischen Denktradition. Als sich schließlich erwies, daß auch die Prophezeiungen des Club of Rome über eine Erschöpfung wichtiger natürlicher Ressourcen wie Erdöl falsch waren, wurde die Ressourcenschranke durch die Umweltschranke ersetzt. Der Malthusianismus der Nahrungsschranke verwandelte sich in den ökologischen Malthusianismus.«
    In den gängigen Weltuntergangsprognosen läßt sich ein wiederkehrendes Muster erkennen. Erstens: Ein Wissenschaftler entdeckt ein Problem. Zweitens: Ein Journalist vereinfacht es und bläst es mächtig auf. Drittens: Umweltschützer treten auf den Plan und klären die Frage, wer bei diesem Problem die Guten und wer die Bösen sind. Viertens: Jetzt schlägt die Stunde der Bürokraten und Konferenzen. Fünftens: Die ersten Skeptiker treten auf den Plan und fragen: Stimmt das überhaupt? Zu guter Letzt: Die Jahre sind vergangen, die Aussagen werden überprüfbar, und es ist niemand mehr da, der an seinen einstigen Vorhersagen gemessen werden möchte. Man hat sich heimlich, still und leise vom Thema verabschiedet und ist intellektuell »nicht mehr so engagiert«. Die einstigen Akteure sind längst auf einen anderen Katastrophenzug gesprungen. So war es beim Thema »die nächste Eiszeit«, so ist es derzeit beim Thema »Bevölkerungsexplosion«. Und so wird es auch beim Thema »Klimakatastrophe« sein (gerade ist die »Globalisierungsfalle« schwer angesagt).
    Entgegen der landläufigen Meinung haben Umweltschützer dabei ganz selten Umweltprobleme als erste erkannt. In der Regel sind sie nur diejenigen, die sie polarisieren. (Auch die Annahme, das Thema Umweltschutz im heutigen Sinne sei von ihnen entdeckt worden,
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