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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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sich noch mehr Kuchen reinzwängen, wird Ihr … Format bald Ihren Mantel sprengen.«
    »Wie können Sie es wagen?! Sobald wir in Laplönd sind, werde ich in Sachen Mode die Königin sein!«
    »Aber solange Sie hier sind, sind Sie nur die Königin des sinnlosen Gebrabbels«, gab der Schneehändler zurück. »Wenn Sie jetzt freundlicherweise die Klappe halten würden, damit ich meine Arbeit machen kann.«
    Lettie schlug sich eine Hand vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken.
    Sprachlos vor Entsetzen starrte das Walross den Fremden an.
    Die Glotzerin erhob sich zu ihrer vollen Größe von anderthalb Metern und klemmte sich die Sucherbrille vors Gesicht, um den Schneehändler eindringlicher betrachten zu können.

    »Ich bin die berühmteste Schmuckherstellerin in ganz Bohemien!«, rief sie im vollen Brustton der Überzeugung. »Diese Dame ist meine Kundin, und ich verlange, dass Sie sich auf der Stelle bei ihr entschuldigen!«
    »Warum?«, fragte der Schneehändler kurz angebunden.
    »Weil wir Damen von Welt sind!«, spuckte die Glotzerin. »Damen von exquisiter Eleganz und Format! Weil …«
    »Schon wieder dieses Format«, ging der Mann dazwischen. »Entschuldigen Sie bitte, aber von welchem Format sprechen Sie andauernd? Ich hätte Sie vorhin beinahe mit einem Fußschemel verwechselt! Und jetzt pflanzen Sie sich gefälligst wieder hin, Sie schrumpelige alte Spinatwachtel!«
    Die zwei Frauen und Lettie starrten ihn gleichermaßen wortlos an.
    Das Walross erholte sich als Erste. Ihr Mehrfachkinn wabbelte vor Empörung. »Ich wollte doch nur eine Tasse Tee haben!«
    »Meine Kundin hat hier zu tun und daher keine Zeit, Ihnen Tee zu kochen«, erwiderte der Schneehändler.
    »Aha?«, sagte Lettie. »Ich dachte, ich stehe hier nur herum und klappere mit den Zähnen.«
    »Dann mach deine Arbeit!«, keifte er. Anscheinend war nicht einmal Lettie vor seiner spitzen Zunge sicher.
    »Arbeit? Was soll ich denn tun?«
    »Schließ die Zugluft aus, Kind! Ich will hier nicht mal mehr den kleinsten Lufthauch spüren!«

3. Kapitel
    Wie man dem Luftzug den Garaus macht

    Lettie stand im vorderen Zimmer und spürte, wie das Gasthaus auf seinen Stelzen schlingerte. Sie fragte sich, ob dieser Abend überhaupt noch merkwürdiger werden konnte.
    Der Schneehändler hatte sie gerade aufgefordert, den Luftzug auszusperren.
    Aber wie sollte sie das bewerkstelligen?
    Und wieso?
    »Dieses Haus steht auf Stelzen«, sagte sie schließlich. »Hier oben entkommt man dem Wind nicht.«
    »Vielleicht sind deine Gäste deswegen nur am Stöhnen und Meckern«, sagte der Schneehändler und lachte über seinen eigenen Witz.
    Lettie runzelte im Dunkeln die Stirn. Sie liebte und beneidete den Wind gleichermaßen: Der Wind reiste durch die ganze Welt, er konnte überallhin. Lettie hingegen war an diesen Ort gebunden, gefangen von ihren Pflichten und den letzten Worten ihrer Mutter.
    Sie blickte auf die Nachricht, die über der Tür an der Wand hing.
    Es spielte keine Rolle, dass es ganz finster war im Raum; Lettie kannte die Botschaft in- und auswendig. Nur 50 Wörter waren es, aber sie bestimmten ihr Leben:
Lettie, Folgendes darfst du niemals vergessen:
1. Ich bin weggegangen, um dein Leben zu retten.
2. Bis zu meiner Rückkehr bist du stets in Gefahr.
3. Die Gefahr liegt innerhalb von Albion.
4. Setz nie einen Fuß auf den Boden Albions, es könnte dich das Leben kosten.
5. Ich liebe dich, und ich werde zurückkommen.
    Diese Nachricht war der Grund dafür gewesen, dass Letties Vater das Haus auf Stelzen gebaut hatte. Und Lettie musste ihm versprechen, sich an das zu halten, was in der Botschaft geschrieben stand. Immer wieder hatte sie versucht, ihn zu überreden, dass sie das Gasthaus Zum Schimmel verlassen durfte. Mit neun hatte sie sich sogar Stelzen gebastelt, damit sie in die Stadt gehen konnte, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen. Aber ihr Vater hatte nur den Kopf geschüttelt, wie immer, und gesagt, es sei einfach zu gefährlich.
    Lettie hatte keine Ahnung, worin die Gefahr eigentlich bestand. Sie hatte ihren Vater gefragt, aber auch er wusste es nicht. Als Lettie klein war, hatten sie einmal bis tief in die Nacht zusammengesessen und überlegt, was so gefährlich daran sein könnte, den Boden Albions zu betreten. Aber die Worte von Letties Mutter blieben ein unlösbares Rätsel und führten ihre Gedanken immer wieder im Kreis herum.
    »Lass uns darüber schlafen«, hatte Letties Vater gesagt, als es spät geworden war. »Vielleicht
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