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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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Schlüsseln in der Hand ging Lettie wieder zurück ins vordere Zimmer. Der Alchemist schleuderte gerade die Schreibfeder hin und nahm ohne ein Wort seinen Koffer in die Hand. Lettie spitzelte ins Gästebuch – und erschauerte, als sie seinen Eintrag erblickte: Die rote Tinte hatte sich blau verfärbt.
    Verwirrt schaute Lettie zwischen Feder und Gästebuch hin und her.
    Der Fremde hatte sich nicht mit seinem Namen eingetragen.
    Im Buch stand nur ein Wort: Schneehändler.
    Lettie überlegte. Ein Händler war jemand, der etwas zu verkaufen hatte.
    Aber was bitte war Schnee ?

2. Kapitel
    Eine Erfindung namens Schnee

    »Was ist Schnee?«, fragte Lettie.
    »Du bist meine Kundin«, erwiderte der Schneehändler. »Du wirst es bald erfahren.«
    Wie Funken glühte die Aufregung in seiner Stimme. Lettie sah ihm an, wie nervös er war.
    Aber warum nur? ,fragte sie sich.
    Der Schneehändler wuchtete seinen Koffer auf den Tisch, dessen Beine unter der Last ächzten.
    »Ich hab noch nie einen Koffer aus Mahagoniholz gesehen«, sagte Lettie. »Und im Gastgewerbe bekommt man eine Menge Koffer zu sehen.«
    »Er ist verschlossen und mit Blei ausgekleidet«, erklärte der Mann.
    »Dann muss er furchtbar schwer zu tragen sein.«
    »Der Inhalt muss unbedingt beschwert werden«, sagte der Schneehändler.
    Lettie runzelte die Stirn. Dutzende und Dutzende unterschiedlichster Reisender hatte sie schon beherbergt, und alle hatten sie immer eines dabeigehabt: Gepäck. Aber einen Koffer wie diesen hatte sie wirklich noch nie gesehen. Preisboxer aus Bavolga auf der Suche nach neuen Gegnern waren mit ihren Lederhandschuhen hier gewesen; Schachspieler aus Issa, die auf ihren schwarz-weiß karierten Spielbrettern neue Züge ausarbeiteten; Parfümeure aus Parall, die leere Behälter zum Einfangen neuer Düfte bei sich trugen … Lettie wusste sogar, wohin die Walrossfrau mitsamt ihrem Gepäck als Nächstes wollte: zurück nach Laplönd. Zusammen mit der Glotzerin, um ihre neuen Kandelaber-Ohrringe herumzuzeigen, die von der Glotzerin entworfen worden waren.
    Aber was hatte der Schneehändler dabei? Welche geheimnisvolle Ware wollte er an Lettie verkaufen?
    Als die Uhr neben dem Tresen plötzlich zehn schlug, zuckte der Schneehändler erschrocken zusammen.
    »Die kälteste Stunde der Nacht bricht bald an!«, schrie er voller Angst.
    Lettie riss den Blick von seinem Koffer los. »Und ist das schlimm?«, fragte sie.
    »Es bedeutet, dass wir nicht mehr viel Zeit haben!«
    »Keine Zeit wofür?«, fragte das Walross.
    »Für die Erschaffung! Für die Erschaffung von Schnee! Ich muss ihn doch erst machen, bevor ich ihn verkaufen kann. Und um ihn zu machen, brauche ich ein Zimmer!«
    Lettie klimperte mit den Schlüsseln. »Welches Zimmer möchten Sie denn?«
    »Nein, nein!«, brüllte der Schneehändler. »Ich habe keine Zeit zum Aussuchen!« Hastig sah er sich um. »Wir werden mit diesem hier Vorlieb nehmen müssen!«
    Und bevor Lettie ihn aufhalten konnte, marschierte er auf den Kamin zu und begann einen Kampf gegen das Feuer. Als wären sie alte Feinde, fauchten und spuckten die Flammen ihm entgegen.
    Der Schneehändler betrachtete sie verächtlich. Dann tauchte er mit einer Hand in seinen riesigen Mantel und nestelte suchend darin herum. Lettie hörte das Klimpern und Klirren der Fläschchen, als er der Reihe nach eine Tasche nach der anderen durchging.
    »Da haben wir’s ja!«, rief er schließlich und holte ein kleines, gebogenes Glasbehältnis mit Pipettenverschluss hervor. Er schüttelte es vor seinem Gesicht und sah zu, wie der Inhalt von einer Seite zur anderen schwappte.
    Sieht aus wie flüssiger Frost: bitterblau, grausam und eiskalt ,dachte Lettie.
    »Oh ja«, sagte der Mann mit bedrohlich sanfter Stimme. »Das kommt euch bekannt vor, nicht wahr? Äther … Es wird euch den Tod bringen.«
    Die zwei Frauen in den Lehnsesseln wimmerten, Lettie wich bebend zurück. Aber dann wurde ihr klar, dass der Schneehändler nicht mit ihnen gesprochen hatte, sondern mit den Flammen. Peinlich berührt starrte sie ins Feuer, das sich ängstlich in die Ecken des Kamins verzogen hatte.
    Der Schneehändler öffnete das Fläschchen. Lettie bekam sofort eine Gänsehaut. Der Äther schien die Wärme aus dem Zimmer zu saugen wie ein Blutegel das Blut aus der Haut.
    »Ist ziemlich schwer erhältlich«, erklärte der Schneehändler. »Und eigentlich unmöglich in Flaschen abzufüllen – aber ich bin ja nicht umsonst ein Genie.«
    Er drückte die Pipette
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